Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach
ansprechenden Form zur Sprache gebracht, wobei auch ein Liebesmärchen hineinverwoben sei … Er mochte darunter verstehen, was er wollte … Er sagte, das sei ihm schon genug. Wir könnten einander die Hand drücken. Die Bühne gehöre uns. Noch einmal uns … Er würde die Vorführung ungeduldig erwarten und an jenem Tag gerne seinen Platz in der ersten Reihe einnehmen. Wir schüttelten einander die Hände, und ich bedankte mich. Auch er bedankte sich und sagte, wir könnten nun die Schule besichtigen. Weil er so nachdrücklich darauf bestand, wurde mir noch deutlicher, daß ihm dieser kleine Rundgang sehr wichtig war. Es war, als wollte er sein Haus zeigen. Diese Aufforderung konnte mich natürlich nicht kaltlassen. Außerdem glaubte ich, offen gesagt, daß auch mir so eine kleine Reise in die Vergangenheit eine gewisse Aufregung verschaffen würde … Mit diesem Gefühl verließen wir das Zimmer.
Wir begannen den Rundgang. Im Parterre wurde in zwei Klassenzimmern Unterricht gehalten. Das konnte man von draußen sehen. Mir war, als hätten sich nicht einmal die Fensterscheiben der Klassen verändert. In diesen beiden Klassenzimmern hatte ich ebenfalls gesessen. Etwas weiter vorne lag ein kleines Fotostudio. Dort hatte ich gelernt, Schwarzweißfotos abzuziehen. Es war eine außergewöhnliche Erfahrung gewesen. Und wie faszinierend waren die Momente gewesen, wenn jene Fotografien in der Entwicklerflüssigkeit langsam Form gewannen … Dem Studio gegenüber war der Geräteraum. Die Stelle, wo wir auch unsere Bücher gekauft hatten. Dort befand sich einer von den letzten › frères‹ der Epoche. Er war ein uralter Mann. Es schien, als hätte er sein Leben in jenem Zimmer verbracht … Ich konnte nun meine Umgebung nicht mehr wie ein Zuschauer betrachten … Die Stimmen, die ich von irgendwoher hörte, zogen mich in ein anderes Spiel hinein. In ein Spiel, das ich irgendwo verlassen und von dem ich geglaubt hatte, ich würde es nie mehr sehen … Dann gingen wir in den Theatersalon. Er hatte sich im Vergleich zu unserer Schulzeit unsagbar verändert, verschönert. Damals war es nicht mal ein richtiger Theatersaal gewesen. Es war eine ziemliche Veränderung, vor allem aber eine unübersehbare. Doch es gab auch eine Veränderung, die sich nicht zeigte, das spürte ich. Ich hatte sie zwar schon gleich bemerkt, als ich die Schule betrat, konnte sie aber irgendwie nicht definieren, auf ihren Kern kommen … Als wir den Vorführsaal verlassen hatten und in den Garten blickten, wurde es mir klar. Die Schule, die mir in meiner Schulzeit sehr groß erschienen war, erschien mir jetzt sehr klein. Es war die Wiederholung des Eindrucks, den ich beim Betreten des Direktorats gehabt hatte. Ich versuchte, meinen Eindruck auch ihm mitzuteilen. Er ging wieder höflich darauf ein.
»Was sich verändert hat, ist nur Ihr Blick …«
Er hatte recht … Die Jahre hatten vor allem uns verändert. Es war der richtige Zeitpunkt für mich zu gehen, mich von dort zu verabschieden … Ich bat um Erlaubnis, gehen zu dürfen. Ich würde wiederkommen … Er sagte, er erwarte mich. Er begleitete mich bis zur Außentür. Wir verabschiedeten uns …
Als ich hinaustrat, hatte ich wieder gemischte Gefühle. Trauer und Freude verstärkten einander aufs neue. Daß mir die Schule derart klein erschienen war, führte dazu, daß unerwartet ein bedeutsames Phantasiebild in sich zusammenstürzte …
Ich hatte mich so nach Neveser Hanım gesehnt …
Mein Gang in die Schule war ein wichtiger Schritt gewesen. Ein Schritt, der dazu diente, noch mehr an meine Erzählung zu glauben. Denn ich hatte diesen Schritt nicht nur in jenen Garten getan, sondern auch auf mich zu. Ich konnte nun die Stimmen auf der Bühne schon besser hören. Würde ich sie aber alle in meinem Haus versammeln können? … Würde ich eine Zeit finden, die allen paßte? … Das beste war, einen Termin festzusetzen und die Eingeladenen zu bitten, sich nach diesem Termin zu richten. Diesen Schritt tat ich noch am selben Tag, indem ich mich an den Grundsatz erinnerte, das Eisen zu schmieden, solange es heiß ist. Ich ging in den Laden, und nachdem ich die Arbeit erledigt hatte, die ich unbedingt selbst tun mußte, entschloß ich mich, das Telefonnetz so lange zu nutzen, wie ich wollte. Ein Freitagabend in etwa vier Wochen schien mir geeignet zu sein …
Zuerst rief ich Necmi an. Er stand mir am nächsten. Mit ihm zusammen hatte ich diese Sache ja auch begonnen. Ich erzählte ihm, daß ich in
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