Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Titel: Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Levi
Vom Netzwerk:
kleine Pizzen und Salzgebäck aus der Konditorei gestellt. Alle Details schienen darauf hinzuweisen, daß es berechtigt war, an die Ehe zu glauben. Angesichts all dessen fühlte ich wieder einmal die Wärme dieser Zuflucht. Wir setzten uns. Necmi schaute lächelnd herum. Ich versuchte zu verstehen, zu fühlen, was er sah und welche Gefühle dabei aufkamen. Auch Çela ihrerseits war aufgeregt, Necmi zu zeigen, welch große Bedeutung diese Begegnung für sie hatte.
    »Es ist wunderbar, daß ihr ganz spontan gekommen seid … Wenn ihr nämlich mit Ankündigung gekommen wärt, hätte ich wahrscheinlich einen Tag vorher mit den Vorbereitungen begonnen.«
    Ein Mensch, der dermaßen liebenswürdig behandelt wurde, mußte sich revanchieren. Die passende Antwort kam sofort.
    »Beim nächsten Mal sage ich auf jeden Fall vorher Bescheid …«
    Wir lächelten uns zu. Nun mußte die Gastgeberin zeigen, wie gut sie es verstand, nicht nur einen Gast zu bewirten, sondern auch die Menschen sich wohl fühlen zu lassen.
    »Das heißt, ich bin reingefallen! … Na gut, was soll man machen! … Für jetzt habt Nachsicht mit meinen Fehlern und Mängeln! … Herzlich willkommen, ihr habt Freude in unser Heim gebracht! … Übrigens ist das Essen fertig, meine Herren. Wenn ihr hungrig seid, setzen wir uns sofort hin. Aber vielleicht möchtet ihr vorher etwas trinken.«
    Es war an der Zeit, daß sie ihre Überlegenheit irgendwie zeigte. Die Gelegenheit ließ sie sich nicht entgehen.
    »Das überlasse ich Isi. Du weißt ja, was dein Amt ist, Bruder! …«
    Wir antworteten mit einem gezwungenen Lächeln. Anders hätten wir die Spannung dieses neuen Miteinander-warm-Werdens nicht überspielen können. Selbst wenn jeder in solchen Momenten bei solchen Begegnungen seine wirklichen Ansichten für sich behielt … In dem Augenblick hinderte sie nichts in ihrem Bestreben, ihre Überlegenheit weiter auszubauen. Sie schaute mich an. In ihren Blicken lag eine Weiblichkeit, die sie, wann immer sie wollte, sehr wohl herauskehrte.
    »Magst du nicht den Wein aussuchen, Schatz … Freilich, wenn ihr etwas anderes trinken wollt …«
    Necmi mischte sich ein in dem Maß und der Form, wie es die Unterhaltung erlaubte.
    »Nein, nein … Wein ist recht. Außerdem werden wir jetzt mal sehen, ob Isi so gut ist, wie Sie sagen! …«
    Dieses Mal war das gemeinsame Lachen weniger gezwungen. Es schien, als entkrampften wir uns langsam und würfen die Spannung ab, die auf uns lag. Darum mußte auch ich mich bemühen.
    »Ich werde euch zuerst einen Martini machen … Unsere Gläser sind aber nicht eiskalt …«
    Wir kamen in Stimmung. Auch Necmi leistete seinen Beitrag.
    »Ich fange an, mich wie in einem Fünfsternehotel zu fühlen, bei Gott! …«
    Jetzt war Çela an der Reihe.
    »Unser Essen ist natürlich keine ›feine Küche‹ … Vielmehr die bekannte, normale Hausmannskost …«
    In dem Moment dachte ich erneut, daß sich in solcher Bescheidenheit ein geheimer Stolz verbarg und daß ein Kompliment erwartet wurde, ja der Gesprächspartner direkt zu einem Kompliment gezwungen wurde. Sah auch Necmi diese kleine List oder, aus anderer Sicht betrachtet, die darin liegende Kindlichkeit? … Meiner Ansicht nach ja, unbedingt. Dennoch entschied er sich, uns in seiner Antwort auf eine andere Wirklichkeit, einen Schmerz seines Lebens, hinzuweisen. Er tat das auf indirektem Weg.
    »Aber bitte sehr … Es geht nichts über Hausmannskost … Manchmal zieht man sogar eine einfache warme Suppe einer Ente in Orange vor …«
    Während dieses Gesprächs hatte niemand seine Getränkewünsche kundgetan, und ich spürte, daß ich mich an so einem Abend nicht auf Details in bezug auf alkoholische Getränke zurückziehen konnte; darum tat ich so, als wäre mein Vorschlag für einen Martini nicht gehört worden oder unbeachtet geblieben, öffnete eine Flasche Rotwein und füllte die Gläser. Binnen kurzem sah ich, daß wir langsam anfingen, vertraut miteinander umzugehen. Die Antwort von Çela auf Necmis Worte war ziemlich abgegriffen. Fühlte sie eine kleine Verunsicherung, weil sie sich so rasch dieser Grenze zur Vertrautheit genähert hatte? …
    »Ich denke ebenso. Wenn ich länger auf Reisen bin, sehne ich mich am meisten nach diesem einfachen Essen. Natürlich hat alles seinen Platz …«
    Necmi hatte nicht die Absicht, Distanz zu bewahren. Die leichte Melancholie in seiner Stimme zeigte, zumindest mir, seine Entschlossenheit.
    »Ja, alles hat seinen Platz …«
    Vielleicht

Weitere Kostenlose Bücher