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Wodka und Brot (German Edition)

Wodka und Brot (German Edition)

Titel: Wodka und Brot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Magén
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der Tasche genommen hatte, schaute, was ihre Finger taten, und suchte nach Worten. »Du hast bestimmt schon gemerkt, dass mein Vater kein einfacher Mann ist. Das war er noch nie, aber seit … Gut, das spielt keine Rolle, um die Wahrheit zu sagen, nur ich komme mit ihm zurecht, doch wenn ich weggehe, ist niemand mehr da, der für ihn kocht, wer wird ihm seine Medikamente bringen, ihn besuchen, einkaufen … Er wird jeden wegjagen, den ich ihm anbringe, niemand wird seine Verrücktheiten aushalten, also, was ich dich fragen wollte, das heißt, mir ist aufgefallen, dass du die Einzige hier bist, die noch nicht mit ihm gestritten hat, na ja, sagen wir mal, die Einzige, die er hier nicht hasst, also kannst du vielleicht, natürlich gegen Bezahlung, ein Auge auf ihn haben, und wenn du dich auf Kochen und Saubermachen einlässt, dann rede ich von wirklich gutem Geld, und wenn nicht, dann ginge es nur um Aufsicht, das heißt, ich stelle jemanden an, der die Arbeit im Haus macht, und du vermittelst nur zwischen beiden und passt auf, dass die Sache läuft, unddas natürlich auch gegen Bezahlung, als ob  … wie eine Sozialarbeiterin oder so etwas, damit ich weiß, dass jemand aufpasst, dass er etwas isst und sich wäscht und seine Medikamente nimmt, er nimmt etwas gegen Depressionen, ich darf gar nicht daran denken, was passiert, wenn er die Tabletten nicht nimmt …« Während sie sprach, starrte sie die ganze Zeit die Karte an, die sie immer dünner drehte, bis sie eine Art Faden daraus gemacht hatte, mich schaute sie kein einziges Mal an, als ob mit der Busfahrkarte alles stehen oder fallen würde.
    Bei allem Mitleid, das ich für sie und ihren schrecklichen Vater empfand, wäre es mir nicht eingefallen, meinen geschorenen Kopf in das Bett des Kranken zu stecken. Schoschana war eine gute Frau, ihr Gewissen fesselte sie an diesen Mann. Sie war etwas über vierzig, üppig, aber nicht dick, sympathisch, aber nicht schön, nicht elegant, aber gepflegt, und vor allem einfach, im positiven Sinn des Wortes, wie Schwarzbrot, nicht raffiniert, gut für jeden Gaumen, nicht anmaßend wie Biobrot mit Rosinen oder andere modische Brotarten.
    »Wenn ich nicht da bin und er weiß, dass er keine Wahl hat, wird er sich anders verhalten. Übrigens, er hat nicht versucht, mich zurückzuhalten, geht, hat er gesagt, ihr sollt es zu etwas bringen. Er ist kein böser Mann, aber er hat seine Eigenheiten, er hat viel mitgemacht im Leben.«
    Kein böser Mann? Vermutlich hatte sie nie gehört, auf welche Art der Horowitz-Schmock seine Seele dem Schöpfer zurückgegeben hatte.
    Sie goss sich noch etwas Wasser ein. Man sah ihr an, dass dieses Treffen sie viel Kraft kostete, sie schwitzte und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. Ein Teil ihres Glücks hing von der Antwort ab, die ich ihr geben würde, aberdas Glück meiner Familie, meines Mannes, meines Sohnes und des Hundes, ging vor. Der Alte würde meine ganze Kraft und meine Geduld aufsaugen, mir würde nichts für die anderen bleiben. Andererseits war da die Nachricht, die ich von der Bank bezüglich des Dispokredits bekommen hatte, und Schoschana hatte von gutem Geld gesprochen, da sollte ich vielleicht nicht voreilig reagieren. Nein, ich war nicht voreilig. Bevor ich einen alten, mürrischen, senilen Mann bediente, konnte ich immer noch in meinen Beruf zurückkehren, außerdem hatte ich eine Wohnung, die ich vermieten konnte, und einen Mann, der mit Gottes Hilfe wieder gesund wurde und seinen juristischen Ruf wiederbeleben konnte, und wenn trotzdem alles schiefging, konnten wir noch immer den Laden verkaufen …
    Sie wartete geduldig. »Wenn du darüber nachdenken möchtest, mir ist es recht, es gibt leider nicht so viele Anwärter auf diesen Job.«
    Ihre Ehrlichkeit rührte mich, auch ihre Finger, die nicht aufhörten, die gequälte Fahrkarte zu rollen, rührten mich. Ich wollte keine falschen Hoffnungen in ihr wecken und sie auch nicht mit leeren Händen gehen lassen.
    »Gib mir zwei, drei Tage zum Nachdenken, vielleicht fällt mir eine passende Person ein.«
    Sie bedankte sich, lächelte ein bisschen enttäuscht und stand auf. Das armselige Haus, das wir von ihrem Vater gemietet hatten, meine verblichenen Jeans und der Ehemann, der offenbar wegen einer Arbeit durch die Gegend zog, hatten sie auf den Gedanken gebracht, ich sei nicht wählerisch und scharf auf eine zusätzliche Einnahme. Nun wandte sie das Gesicht dem Fenster ihres Vaters zu und überlegte, wie sie ungesehen

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