Wodka und Brot (German Edition)
ich übertreibe, ich kannte seine Finger, ich hatte festgestellt, dass es nicht unmöglich war, seinem Blick zu widerstehen, ich hatte ihn viermal verhalten lächeln gesehen und gelernt, dass die Skala seiner Freude am Leben von mittel bis mäßigreichte. Er warf die beiden Pappbecher in den Mülleimer, wir kehrten zurück zum Aufwachraum, um sicherzustellen, dass sich im Leben seines Vaters keine Dramen ereignet hatten. Bevor ich das Krankenhaus verließ, schaute ich noch einmal nach dem Alten. Er lag mit offenen Augen im Bett und bemerkte mich erst, als ich mich über ihn beugte. Seine faltigen Lider hoben sich. »Für den Fall, dass ich sterbe, möchte ich, dass die Schuhe des Jungen in mein Grab gelegt werden.« Seine Stimme klang heiser und entschlossen.
»So schnell werden Sie nicht sterben.«
»Woher wollen Sie das wissen? Sind Sie Gott? Schreiben Sie das, was ich gesagt habe, auf ein Stück Papier und bringen Sie es mir, damit ich unterschreiben kann …« Die Kraft und die Luft verließen ihn.
»Ich übernehme die Sache mit den Schuhen, Herr Levi, Sie können sich auf mich verlassen. Aber jetzt muss ich gehen.« Er schwieg verwirrt, das Versprechen, das er mir abgepresst hatte, übertraf seine Erwartungen.
»Gute Besserung, Herr Levi.« Ich drehte mich um.
»Ist er noch da?«
»Amos? Ja.«
»Gut.«
Was war gut? War es gut, dass keine Gefahr für die Schuhe bei ihm zu Hause bestand, solange Amos im Flur des Krankenhauses saß?
Ich hätte es keine Minute länger dort ausgehalten, ich fühlte mich eingeengt. Ich prüfte, ob mein Handy funktionierte, ob es geladen war, ob es neue Nachrichten gab.
»Ich gehe«, sagte ich zum Sohn des Alten. Ich fragte nicht, ob er auch in dieser Nacht bei uns schlafen würde, ich wollteweg von dort, als wäre eine Feuersbrunst ausgebrochen, als würde mich draußen wer weiß was erwarten.
»Wenn du beim Suchen Hilfe brauchst, ich habe einen Geländewagen mit Vierradantrieb.«
Vor dem Krankenhaus wuchsen wilde Geraniensträucher, so wie jene in der Cafeteria, Beweise für eine gesunde Option an diesem kranken Ort, sie zeigten, dass, obwohl alles schlimm ist, es immer noch andere gibt, die den Mut haben zu leben. Dazu brauchte man nur die dicken Blätter anzuschauen, die roten Blüten und die prallen Knospen. Ein Stück Gesundheit. Was sollte ich mit seinem Vierradantrieb anfangen? In den Felsen herumfahren, durch Flussbetten und über die Hänge der judäischen Wüste? Gewundene Straßen entlangfahren und einen vertrocknenden Wanderer suchen, oder seine Leiche? Nein, danke. Ich ging nach Hause, mir blieben zwei Stunden, bis ich den Jungen um vier Uhr vom Kindergarten abholen würde. Obwohl ich von einem Menschen nicht viel erwartete, der in die Wüste, ans Meer, auf Berggipfel oder in Felsspalten gelaufen war, fort von der Zivilisation, von elektrischem Strom, Computern und Solarantennen, kontrollierte ich meine E-Mails und zappte mich durch die Nachrichten im Internet, vielleicht hatte man einen Ertrunkenen aus dem Wasser gezogen, oder jemand war vom Felsen gestürzt, vielleicht hatte man einen Sonderling gefangen, der die Grenze nach Ägypten überqueren wollte, vielleicht war ein entflohener Kranker in die Klinik zurückgebracht worden. Doch die Nachrichten befassten sich mit schicksalhaften globalen Angelegenheiten, mit Politik, einer Bombe im Gepäck, die nicht explodiert war, und der Scheidung irgendeines Prominenten.
Auf keinem Apparat erwartete mich eine Nachricht. Ichrief im Reich von Brot und Margarine an, meiner einzigen stabilen Stütze im Moment. Madonna sagte, es sei alles in Ordnung, es laufe heute sogar wirklich gut, jemand hatte sechs Flaschen Öl gekauft und das ganze Mehl mit Backpulverzusatz, und auch mit dem Käse und dem eingelegten Gemüse klappte es prima. Sie räusperte sich, um von einem Thema zum nächsten zu wechseln, und fragte: »Entschuldige, aber gibt es etwas Neues mit deinem Mann?« Ich wusste nicht, ob Gideons Schicksal ihr ans Herz ging, oder ob sie die Einnahmen und Verluste überschlug, die durch sein Verschwinden zu erwarten waren.
Am Abend erschien sie auf unserem Hof in einem kurzen grünen Kleid. Sie roch nach billigem Parfüm, und ihre nackten Glieder leuchteten im Licht des mageren Mondes und der Straßenlaterne, die ein schwaches Licht auf den Hof warf. Der Junge war ganz aus dem Häuschen, eine Minute davor hatte er vier Dinge aufgezählt. »Ich bin eins, Wodka zwei, Amos drei, Mama vier.« Er freute sich, dass Amos auch
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