Wölfe der ewigen Nacht (German Edition)
sie schon bewusstlos?«
»Sie war nur einmal kurz wach, als wir sie gefunden haben.« Der Mann brummte kurz.
»Hat sie etwas gesagt, als sie wach war?«
»Nein. Sie hat mich kurz angesehen und ist dann wieder bewusstlos geworden.« Als der Mann ihren Hals und dann ihren Oberkörper abtastete, hätte sie am liebsten laut geschrien. Wie er dann ihren Arm anhob und die Schulter berührte, würgte sie aus ihrer trockenen Kehle einen heißeren Schrei heraus. Wollte er ihr den Arm abreißen?
»Ich glaube, das Schlüsselbein ist gebrochen.«
Wieder senkte sich ein dichter Nebelschleier über ihre Gedanken und sie war froh, den Schmerzen zu entrinnen.
Eine blondes, junges Mädchen stand in einem schäbigen Wohnwagen und sah auf eine am Boden sitzende Frau. Diese hatte nur ein übergroßes T-Shirt an und sah mit ihren fettigen, dunkelblonden Haaren sehr ungepflegt aus.
»Mama, wir haben nichts mehr zu essen da. Gib mir bitte Geld zum Einkaufen.« Die ältere Frau zündete sich eine Zigarette an und sah grimmig zu ihrer Tochter auf.
»Du bist alt genug, dein Geld selbst zu verdienen.« Das Mädchen wurde knallrot im Gesicht und schrie ihre Mutter an:
»Willst du damit sagen, dass ich wie du für ein paar Dollar die Beine breitmachen soll?« Mit einiger Mühe stand die Frau vom Boden auf und brachte sich vor ihrer Tochter in Position.
»Du bist alt genug. In deinem Alter hatte ich schon längst einen festen Kundenstamm. Und tu nicht immer so arrogant. Du bist genau wie ich und keinen Deut besser.«
»Hast du dir nur ein Mal meine Zeugnisse angesehen?« Das Mädchen stieß resigniert Luft aus. »Nein, hast du nie. Ich bin eine Einser-Schülerin. Ich könnte ein Stipendium an einer angesehenen Uni bekommen.« Ihre Mutter winkte lässig ab und blies ihr dann Zigarettenqualm ins Gesicht.
»Von unserer Familie war noch nie jemand auf dem Collage. Und ich werde dich nicht weiter durchfüttern. Du bist eine Last.« Sie ging zum Kühlschrank und holte sich eine Flasche Schnaps heraus. Mit der Zigarette im Mund, goss sie sich eine Kaffeetasse voll ein und stellte die Flasche wieder zurück. »Entweder du verdienst dein eigenes Geld oder du verschwindest.« Das Mädchen war sprachlos.
»Du bist meine Mutter!« Die Frau trank einen Schluck und sah dann auf den Boden.
»Ich hätte dich damals wegmachen lassen sollen. Aber ich hab das Geld von deinem Erzeuger für andere Sachen ausgegeben.« War das Mädchen erst rot vor Wut gewesen, so war es nun weiß wie ein Betttuch. Tränen schossen ihr in die Augen und sie erwiderte zornig: »Dann geh ich lieber, statt dir weiter auf der Tasche zu liegen.«
Sie schnappte sich ihren Schulrucksack und eine Sporttasche in die sie ein paar Klamotten stopfte. Danach holte sie ihre Bibel unter der schmalen Matratze hervor, auf der sie bis jetzt geschlafen hatte, und packte diese ebenfalls ein.
An der Tür drehte sie sich nicht noch einmal um, sondern sagte nur: »Lebe wohl!« Sie tauchte kurz aus der Traumwelt auf, aber gleich darauf wurde sie wieder von tiefem Schwarz umfangen. Es war, als würde sie unter Wasser gedrückt und hätte nur kurz Gelegenheit, Luft zu schnappen.
»Mit wem aus dem Rudel treibst du es? Oder machst du für alle die Beine breit?« Bei dieser hässlichen, männlichen Stimme zuckte sie ängstlich zusammen und ihr Körper verkrampfte sich. Um sie herum war immer noch alles dunkel und sie konnte nichts und niemanden erkennen.
Ein Schlag traf sie ins Gesicht, der sie ein ganzes Stück zurücktaumeln ließ. Wer war dieser Mann? Warum schlug er sie? Ohne etwas zu sehen, drehte sie sich um und rannte weg. Eine Ewigkeit schien zu vergehen. Ihre Beine schmerzten und ihr war kalt, aber sie rannte. Immer schneller. Dann erschien ein greller Blitz am Himmel, der die Dunkelheit vor ihr brach. Ein Abgrund! Sie konnte nicht schnell genug stehen bleiben und fiel.
»Schhh. Ist ja gut. Hier bist du sicher. Beruhige dich!« Sie kam zu sich. In den Armen einer kleinen, brünetten Frau. Noch immer entrang sich ihrer Kehle ein lauter Schrei. Als sie es bemerkte, entspannte sie ihren Hals und der Schrei verklang im Zimmer. Anschließend begann sie fürchterlich zu zittern und eine Sturzflut von Tränen brach aus ihr heraus. Sie wusste noch nicht einmal, warum sie weinte. War es wegen des Mannes, der sie geschlagen hatte? Die Frau wich in der ganzen Zeit keinen Zentimeter von ihrer Seite.
»Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Wir beschützen dich.« Als das Zittern
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