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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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erst darüber reden, wenn wir in der Hütte sind.«
Anstrengung klang aus seiner Stimme — und Schmerzen.
    »Warst du wegen der Schußwunde bei
einem Arzt?«
    »Da unten gibt es eine Frau, die besser
ist als jeder Arzt, den ich kenne. Mir geht es gut, ich bin nur müde. Aber ich
bin froh, dich zu sehen, auch wenn du was Komisches mit deinem Haar angestellt
hast.« Mit einiger Anstrengung gelang ihm ein Lächeln, und er berührte meine
Wange.
    Als wir an Fontes’ Villa vorbeikamen,
beschleunigte ich. Die Einfahrt war jetzt geschlossen, und durch die Fenster
schien nur noch gedämpftes Licht.
    »Du weißt, daß auch du mir eine Menge
zu erklären hast«, fügte Hy hinzu.
    »Das kann die ganze Nacht dauern.«
    »McCone, wir haben den ganzen Rest
unseres Lebens Zeit.«
    Die Straße war leer, die Tore zu den
meisten Villen inzwischen geschlossen. Bald darauf tauchte das Flußbett auf —
ungezähmte Natur am Rande einer dürftigen Zivilisation. Hy zeigte mir die
Fahrspur durch die Maulbeerbüsche und Kakteen, und ich fuhr auf die flackernden
Feuer zu. Dann wies er auf eine baufällige Hütte in einiger Entfernung von den
anderen. Ich stellte den Wagen daneben ab.
    Als wir ausstiegen, näherten sich durch
die Bäume zwei Gestalten mit einer Taschenlampe, deren Lichtstrahl den Boden
vor ihnen beleuchtete. Meine Hand fuhr zur Pistole, aber Hy hielt sie fest. Er
rief die beiden auf spanisch an, und sie verlangsamten mit leicht veränderter
Haltung ihre Schritte. Zwei männliche Stimmen antworteten.
    Die Männer blieben vor uns stehen. Im
Strahl der Lampe blitzte der Lauf des Gewehrs auf, das der erste trug. Im
Gürtel des zweiten steckte ein Revolver. Sie hatten harte, wettergegerbte
Gesichter, und ihre Blicke waren wachsam, wissend und schienen so alt zu sein
wie die Berge, die das Rückgrat dieser Halbinsel bilden. Von den Vorposten der
hochtechnisierten Zivilisation wie El Sueño waren die alten Gefahren der
Lebensbedingungen in Baja zwar verbannt, doch nur bis zum Rand dieses
Dickichts.
    Hy legte mir den Arm um die Schultern,
zog mich vorwärts und nannte ihnen meinen Namen. Zu mir sagte er: »Das ist
Juan.«
    Der Mann mit dem Gewehr nickte.
    »Und Tomás. Tomás wollte mich
eigentlich nicht allein zu dir gehen lassen, doch ich befürchtete, zu zweit
würden wir zu sehr auffallen. Er hatte mir angeboten, dich an meiner Stelle zu
holen, aber ich konnte nicht wissen, was du ihm vielleicht antun würdest.« Die
letzten Worte übersetzte er ins Spanische, und die Männer lachten. Hy fiel in
ihr Lachen ein, aber nur halbherzig. Was er gesagt hatte, war wahr.
    Die drei unterhielten sich noch eine
Weile. Dem Gespräch konnte ich entnehmen, daß die Männer Hy fragten, was in
Fontes’ Villa vor sich gehe. Tomás stellte Hy noch eine andere Frage, und Hy
wollte von mir wissen: »Hast du etwas gegessen?«
    »Nein, aber ich habe keinen Hunger.«
    »Vielleicht kommt der Hunger später.
Tomás sagt, seine Frau wird uns etwas bringen. Ein paar von den Leuten unten
bei den Feuern sollten uns besser nicht sehen.«
    »Sie braucht uns nichts...«
    »Sie möchte es aber. Und sie möchte
auch meinen Arm neu verbinden.« Er sagte noch etwas zu den Männern, bedankte
sich und führte mich zur Hütte.
    Sie bestand aus einem einzigen Raum:
rohe Bretterwände, ein Blechdach, das stellenweise nicht bis zu den Wänden
reichte, Boden aus festgetretener Erde. In der Mitte lag ein Schlafsack,
daneben Hys Reisetasche. Er knipste eine kleine Taschenlampe an und trug meine
Tasche zur Wand. Seine Reisetasche steckte er wie ein Kissen dahinter. Dann
nahm er die Pistole aus dem Gürtel und schob sie darunter. »Es ist nicht
großartig, aber nimm Platz«, sagte er.
    Ich tat es und spürte, wie mir die
Muskeln nach dem stundenlangen Liegen in unbequemer Position weh taten. Ich sah
auf die Uhr. Sie stand noch immer. Ich schüttelte sie. Der Sekundenzeiger
bewegte sich wieder. Die Taschenlampe beleuchtete nur die Mitte dieser kleinen
Hütte, die manch einem Platzangst verursachen konnte. Der Rest lag in seltsam
verzerrten Schatten.
    »Wieso helfen dir diese Leute?« fragte
ich.
    »Weil sie großzügig sind, auch wenn sie
selbst nur wenig haben. Sie fischen noch, ohne das Leben im Meer unnötig zu
zerstören. Und sie hassen Gilbert Fontes ebensosehr wie ich. Das verbindet.«
    Hy schien jetzt erfüllt von nervöser
Energie. Er ging auf und ab zwischen Licht und Schatten. »In den letzten zwölf
Jahren hat Mexiko seine Fischfangquote verdoppelt. Die Regierung

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