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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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gierig nach ihrem Glas. Das Gespräch ging weiter — jetzt auf
spanisch, wie mir schien —, begleitet von Kopfschütteln, zustimmenden oder
ablehnenden Handbewegungen, und gelegentlich schlug Salazar mit der Faust auf
den Tisch. Diane Mourning blieb distanziert. Sie war in ihren Sessel versunken,
und ihre Augen bekamen einen zunehmend glasigen Blick. Ann Navarro und Salazar
schienen inzwischen in eine heftige Auseinandersetzung verstrickt zu sein,
während Fontes sie mit kühlem, analytischem Blick beobachtete.
    Meine Augen brannten vom angestrengten
Sehen durch den Sucher. Ich gönnte ihnen einen Augenblick Erholung. Es war kalt
geworden. Ich hatte keine Ahnung, wie spät es war. Meine Uhr war
rätselhafterweise stehengeblieben. Das Leuchtzifferblatt zeigte erst elf nach
fünf. Es kam mir vor, als hätte ich schon unzählige Stunden an diesem Strand
zugebracht. Mein Rücken tat mir vom flachen, verspannten Liegen weh und der
Nacken von der verdrehten Haltung. Außerdem war ich mir ziemlich sicher, daß
sich ein Splitter von der ponga durch die Jeans in mein Hinterteil
gebohrt hatte. Ich rollte mich auf den Rücken und blickte in einen leuchtenden
Sternenhimmel. Über die Stimmen vom Flußbett hinweg klangen jetzt die
schwermütigen Klänge einer Gitarre. Ich fühlte mich einsam. Verloren.
    In gewisser Hinsicht war ich
verloren. Ich hatte die Verbindung zu dem Mann verloren, den ich suchte. Mein
Bild von Hy — von seinem Gesicht, seinem Körper, seinem ganzen Wesen — war
verwischt worden von Menschen, Beziehungen, Intrigen und Verbrechen, die
tatsächlich nur sehr wenig mit uns beiden zu tun hatten. Ich hatte das Gefühl,
in einen Korridor hineingegangen und in einem Labyrinth gelandet zu sein. Allzu
häufig durfte ich nicht mehr mit der Nase an die Wand stoßen, sonst verlor ich
das Gefühl für alles, was wichtig war...
    Oben auf der Terrasse entstand
Bewegung. Verbissen beugte ich mich wieder über meine Kamera. Fontes und
Salazar waren aufgestanden. Salazar sagte etwas zu Diane Mourning, und als sie
keine Antwort gab, packte er sie an den Armen und stellte sie auf die Füße.
Schlaff und schwankend stand sie da. Salazar drehte sie an den Schultern um und
schob sie auf die Tür zu.
    Ihnen kam jetzt ein Mann entgegen,
dicht gefolgt von Jaime, Salazars Leibwächter. Der Mann war stämmig und hatte
einen watschelnden Gang. Seine Kleidung war zerknittert, das dunkelblonde
dichte Haar zerzaust. Er trug eine Nickelbrille, einen mehrere Tage alten Bart,
und sein Gesichtsausdruck war starr und bestürzt. Als er die anderen auf der
Terrasse sah, blieb er stehen. Jaime schob ihn weiter. Er stolperte und blieb
dann kopfschüttelnd vor ihnen stehen.
    Ich drückte auf den Auslöser der
Kamera.
    Ann Navarros Gesichtsausdruck wechselte
rasch von großem Erstaunen zu heftigem Ärger. Mit herabgezogenen Mundwinkeln
sah sie von dem Mann zu Fontes. Fontes revanchierte sich mit einem langen,
bewußt triumphierenden Blick.
    Diane Mourning schrie auf, als sie
ihren Mann erkannte. Timothy taumelte auf sie zu, aber sie wich mit
angstverzerrtem Gesicht zurück und streckte beide Hände von sich, als wolle sie
ihn abwehren.
    Wieder betätigte ich den Auslöser.
    Eine Bewegung hinter mir. Ein Schritt
im weichen Sand, der bis dahin alle anderen Schritte verschluckt hatte. Eine
Hand vor meinem Mund, bevor ich mich herumwerfen und nach der Pistole greifen
konnte. Eine Stimme, leise und so nah an meinem Ohr, daß ich den warmen,
feuchten Atem spürte.
    »Was Interessantes zu sehen, McCone?«
    Ein Schock fuhr mir in die Glieder. Mit
einem Ruck drehte ich mich um.
    Und blickte in die grimmig lachenden
Augen meines vermißten Freundes.
     
     
     
     
     

22
    Wie unter Schock starrte ich ihn an und
konnte einfach nicht fassen, daß er lebendig und wohlbehalten plötzlich an
diesem abgelegenen Strand aufgetaucht war. Mit offenem Mund stand ich da und
bekam kein Wort heraus.
    Er schob mich zur Seite, legte sich
flach auf den Boden und preßte sein Auge an den Sucher. Ich fiel in den Sand
zurück und landete so hart, als hätte ich das Gleichgewicht verloren.
    »Dieser Mistkerl!« flüsterte Hy.
    Mir war nicht klar, was von den
Vorgängen dort oben auf der Terrasse ihn so faszinierte, aber es interessierte
mich auch nicht. Noch immer verwirrt, versuchte ich mühsam, die überraschende
Wende der Ereignisse zu begreifen, und stieß ihn am Ellbogen an. Er schob meine
Hand weg, und ich sah, daß der linke Ärmel seines schmutzigen

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