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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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und lebt irgendwo im Süden von Baja. Immerhin konnten sie
gerade genug Geld zusammenkratzen, um Ann in Kalifornien zur Schule zu
schicken. Einen Abschluß hat sie dort allerdings nicht gemacht. Sie hat einen
Amerikaner geheiratet, um ihre Grüne Karte zu bekommen. Danach hat sie sich
wieder scheiden lassen. In den Jahren, bevor sie Brockowitz kennenlernte,
eröffnete sie drei erfolgreiche Einzelhandelsgeschäfte. Ich habe gehört, sie
seien sich vor ein paar Jahren in ihrem Geschäft in San Juan Capistrano zum
erstenmal begegnet. Sie müssen wohl ihre gemeinsame Gewinnsucht entdeckt haben.
Ein Typ, den ich kenne, hat ihre Ehe mal ›eine unheilige kleine Allianz‹
genannt.«
    »Sind wohl nicht allzu beliebt, die
beiden?«
    »Weder bei Umweltschützern noch bei
deren Gegnern. Soweit ich weiß, hat jeder von ihnen nur einen einzigen Freund
auf der Welt, nämlich den anderen.«
    »Nun ist er tot und sie allein.«
    »Oder sie ist auch schon tot, falls in
Fontes’ Haus auf sie geschossen wurde.«
    Einen Moment lang schwiegen wir. Der
altertümliche VW-Bus geriet ins Schwanken. Ein großer Kerl mit einem Bart bis
zur Brust und kaum noch einem Haar auf dem Kopf taumelte heraus. Er trug ein
zerknittertes Batikhemd und Jeans. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, der Blick
finster. Ein Exemplar der Gattung überalterter Hippie. Er watschelte zum
Klippenrand, zog den Reißverschluß auf und pinkelte. Während er ihn im Umdrehen
wieder hochzog, nickte er uns flüchtig zu und kletterte in den Bus zurück.
    Wir wechselten ironische Blicke. »Wie
klingt das für dich bisher?« fragte ich.
    »Ziemlich solide. Die
Terramarine-Geschichte war nur als Deckung gedacht. Brockowitz wußte nämlich,
daß diese Gruppe nichts abstreiten würde, wenn die Presse Wind von der
Entführung bekäme. Wo haben sie Tim deiner Meinung nach die ganze Zeit
versteckt gehalten?«
    »Brockowitz und Navarro besitzen ein
großes, einsam gelegenes Haus im östlichen Orange County.«
    »Warum haben sie ihn überhaupt am Leben
gelassen?«
    »Sie meinten wohl, ihn für RKI präsent
haben zu müssen, bis das Lösegeld kassiert war. Und Ann Navarro wußte
wahrscheinlich überhaupt nicht, was sie mit ihm anstellen sollte, als Stan
nicht wieder auftauchte.«
    »Sie weiß noch nicht, daß Stan tot
ist?«
    »Ich glaube kaum. Als die Leiche
identifiziert werden konnte, war die Navarro schon in Baja. Und als ich gestern
nachmittag mit dem Inspektor sprach, der mit dem Fall befaßt ist, sagte er,
Brockowitz’ Name würde erst an die Presse gegeben, wenn die nächsten
Angehörigen benachrichtigt worden seien.«
    Hy nickte. »Okay, noch eine Frage: Auf
wessen Betreiben hin ist Tim Mourning hierhergebracht worden und warum?«
    Auch darüber hatte ich vor Morgengrauen
draußen vor der Hütte nachgedacht. »Fontes und Salazar konnten sich vielleicht
denken, wo Mourning sich aufhielt — Salazar muß übrigens Brockowitz’ Papiere an
sich genommen haben, nachdem er ihn erschossen hatte. Als Ann Navarro dann hier
in Baja war, wurde Jaime zu ihm nach Blossom Hill geschickt. In der Villa haben
sie sich dann wohl alle versammelt, um ihre Anteile auszuhandeln. Fontes hat
das Akkreditiv. Ann Navarro verfügt über die Verbindung, es einzulösen. Diane
Mourning will ihren Anteil. Salazar meldet entweder selbst Ansprüche an oder
arbeitet für Fontes.«
    »Das alles weißt du mit Sicherheit?«
    »Mit Sicherheit weiß ich
überhaupt nichts. Es ist ein Gefühl, das auf meiner Beobachtung der Vorgänge
auf der Terrasse gestern abend basiert. Die Szene hat mich an eine Absprache,
wie Anwälte sie im Vorfeld der eigentlichen Gerichtsverhandlung treffen,
erinnert. Die Navarro spielte die Überlegene, als habe sie alle Beweise auf
ihrer Seite — die Verteidigerin. Diane Mourning schien verängstigt, aber
halsstarrig — die Angeklagte. Die Männer spielten böser und guter
Anklagevertreter. Salazars Aufgabe war Einschüchterung, und damit schwächte er
Dianes Position. Fontes gab sich relativ unbeteiligt, sprach wenig, war aber
durchaus präsent. Und dann ließen die Männer die Bombe platzen.«
    »Timothy.«
    »Genau. Als Timothy hereingetaumelt
kam, geriet Diane in Panik. Und Navarro war geschockt und wütend zugleich. Sie
wußte, die Tatsache, daß die Männer Timothy nun in der Hand hatten, würde die
Preisrelationen verändern.«
    »Und das bringt uns zu der
entscheidenden Frage: Was ist heute morgen dort passiert?«
    »Diese Frage kann erst beantwortet werden,
wenn Tomás kommt.«

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