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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Ich sah auf die Uhr. Erstaunlicherweise war es erst Viertel
vor neun. Hatte ich sie nicht gestellt, als sie wieder lief? Doch, während
unseres Gesprächs am Abend zuvor.
    Die Tür des VW-Busses ging erneut auf,
und eine Frau mit langem, verfilztem Haar torkelte heraus, rannte an den Rand
des Parkplatzes, kniete nieder und erbrach sich in die Büsche. Nach einer Weile
schleppte sie sich zum Bus zurück. Von uns nahm sie keine Notiz. »Ich bin schon
froh, daß die Zeit vorbei ist«, sagte Hy.
    »Die beiden scheinen es noch nicht gemerkt zu
haben.«
    »Na ja, wenn ich so an die Siebziger
und Achtziger denke, geht’s den beiden vielleicht gar nicht so schlecht.«
    »Und was ist mit den Neunzigern?«
fragte ich beiläufig.
    »Noch zu früh, um etwas dazu zu sagen.
Hegst du da etwa Hoffnungen?«
    Unsere Blicke trafen sich. Ich spürte
wieder etwas von unserer alten wortlosen Kommunikation. »In dem einen oder
anderen Punkt schon«, sagte ich und verschränkte meine Finger mit den seinen.
     
    Tomás kam erst nach zehn. Er machte ein
ernstes Gesicht, als er aus einem alten Pickup mit einer Seilwinde stieg, mit
der er ein Boot auf die Ladefläche hieven konnte. Hy öffnete die Hintertür
unseres Wagens. Tomás stieg ein und zündete sich im Schutz seiner gewölbten
Hand eine Zigarette an, als wollte er den Lichtschein verbergen. Seinem
Gespräch mit Hy konnte ich größtenteils folgen. Was ich nicht verstand,
übersetzte Hy.
    Die Polizei war zum Flußbett gekommen
und hatte die Leute nach einer Person befragt, die sich am Strand und im Ort herumgetrieben
habe — ein großer, dünner Mann mit zerfurchtem Gesicht und Stoppelbart. Sie
interessierten sich auch für eine Amerikanerin, die gestern gegen Abend mit
einer teuren Kamera am Strand gesessen habe. Die Polizei wolle beide zu einer
Schießerei am Morgen gegen fünf Uhr befragen.
    »Qué?« fragte Hy.
    Eine junge blonde Frau, antwortete
Tomás. Sie sei am Strand in den Rücken geschossen worden, Nierendurchschuß. Der
Hubschrauber habe sie in die Unfallklinik nach Ensenada geflogen.
    Diane Mourning.
    Ich bat Hy, ihn zu fragen, ob jemand
bei ihr gewesen sei.
    Nein, antwortete Tomás. Er sei
neugierig gewesen, habe wissen wollen, was in Fontes’ Haus passiert sei, und
habe im Ort herumgefragt. Die Frau, hieß es, sei allein hinausgegangen, und
niemand habe nach ihr das Haus verlassen. Die Einfahrt sei verschlossen
gewesen. Auch habe niemand vorgehabt, irgendwohin zu fliegen. Fontes’ Pilot
habe den Tag frei bekommen.
    Hy und Tomás redeten weiter. Aber ich
hatte den Faden verloren und dachte statt dessen daran, daß ich am Morgen gegen
fünf Uhr vor der Hütte gewesen war. Am Strand konnte Diane Mourning nicht
angeschossen worden sein. Der Schall trug in dieser Gegend weit, und ich hatte
nichts gehört. Warum hatte man in der Villa die Polizei belogen? Um die
Aufmerksamkeit von sich abzulenken? Hielten sie es vielleicht für angebracht,
den Verdacht auf Hy und mich zu lenken? Nein, das paßte nicht richtig. Das
letzte, was sie gebrauchen konnten, war Hy, der der Polizei seine Geschichte
erzählte. Und was mich anging, so hatten sie, soweit ich wußte, keine Ahnung,
daß ich überhaupt in El Sueño war.
    Tomás schüttelte Hy die Hand. Mir
nickte er zu, und dann stieg er aus und ging zu seinem Pickup hinüber. »Wohin
fährt er?« fragte ich.
    »Nach Hause. Eigentlich hätte er, wie
jeden Morgen, zum Fischen ausfahren müssen. Das hat er bereits versäumt.«
    »Und was machen wir?«
    »Gute Frage.«
    Wir schwiegen eine Weile und sahen auf
die graue See, während die Sonne silbrig durch die Wolken drang. Der VW-Bus
startete mit einer schwarzen Rauchwolke. Knirschend wurde der Rückwärtsgang
eingelegt, dann fuhr er auf die Straße hinaus. Im Vorbeifahren winkte uns der
Fahrer lässig zu.
    »Diane Mourning ist nicht am Strand
angeschossen worden«, sagte ich und erklärte Hy, warum.
    »Also glaubst du, der Schuß fiel in der
Villa?«
    »Wahrscheinlich.«
    »Wer hat geschossen?«
    »Salazar?«
    »Dann ist er der schlechteste Schütze
der Welt. Und warum hat er sie am Leben gelassen?«
    »Möglicherweise war es ein Unfall.«
    »Also schafften sie sie zum Strand und
versuchten, uns die Schuld in die Schuhe zu schieben.«
    Ich schüttelte den Kopf.
»Hinausgeschafft haben sie sie vielleicht, aber ich glaube nicht, daß sie die
Polizei auf uns aufmerksam gemacht haben. Wahrscheinlich hat die Polizei in der
Nachbarschaft herumgefragt und so unsere Beschreibung

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