Wölfe und Kojoten
und fand einige mögliche Antworten. Schließlich ging ich in die
Hütte zurück.
Hy war bereits wach. Seine Augen
blitzten im schwachen Lichtstrahl der Taschenlampe auf, und seine Hand fuhr
nach der Waffe unter der Reisetasche.
»Ich bin’s«, sagte ich schnell.
Er ließ die angehaltene Luft heraus und
zog die Hand zurück. »Himmel, McCone!«
»Tut mir leid.«
Ich trat näher, und Hy griff nach
meinem Handgelenk. Er zog mich zu sich hinunter und preßte mich an sich. Seine
Hände glitten auf meinem Rücken unter das T-Shirt. Sie fühlten sich an wie
feines Sandpapier. Die Fingernägel waren gesplittert. Ich zuckte zusammen, als
er damit über meine Haut kratzte. Unsere Lippen berührten sich, sie waren
rissig und trocken. Seine Haut fühlte sich glühend und ausgedörrt an. Unsere
Körper umschlossen einander nicht wie gewohnt. Glieder und Gelenke waren uns im
Weg. Wir schliefen fast vollständig bekleidet miteinander.
Ich kam damit nicht zurecht. Das
Unbehagen ließ keine Freude entstehen. Es war, als schliefe ich mit einem
Fremden — den das Verlangen überkam und dessen Gewalttätigkeit nur notdürftig
gezügelt war. Als wir es hinter uns hatten, fühlte ich mich ein Stück weiter
von ihm entfernt. Auch er schien kein Vergnügen empfunden zu haben, nur
Entspannung. Wir rollten auseinander und lagen schweigend da in der
aufziehenden Dämmerung. Zum erstenmal hatte Sex eine Schranke zwischen uns
aufgebaut.
Draußen klopfte jemand an die Wand. Hy
sprang als erster auf, zog seine Kleidung zurecht und ging zur Tür, um
nachzusehen, wer es war. Eine Stimme sprach leise und schnell auf spanisch. Hy
war hinausgetreten und kam kurz darauf zurück.
»Das war Tomás«, sagte er. »Wir müssen
weg von hier.«
Ich war angezogen und stand jetzt
ebenfalls auf. »Was ist los?«
»Ärger in Fontes’ Villa. Niemand weiß
etwas Genaues, aber es sieht nicht gut aus. Überall Cops, ein Krankenwagen, und
jetzt wird jemand im Hubschrauber abtransportiert.«
Ich horchte und hörte in der Ferne die
Rotorblätter. »Glaubst du, eine Schießerei?«
»Könnte sein.« Er rollte den Schlafsack
zusammen. »Tomás fürchtet, daß die Cops die Gegend durchkämmen. Wenn irgendwo
ein Verbrechen geschehen ist, kommen sie immer hierher und nutzen die
Gelegenheit, die Leute herumzuschubsen. Es würde ihre Lage nur verschlimmern,
wenn die Polizei zwei Gringos bei ihnen fände.«
»Wohin gehen wir?«
»Nach Süden zu einem Aussichtspunkt,
den Tomás mir genannt hat. Er kommt später auch dorthin, sobald er weiß, was
passiert ist.«
Ich griff nach meiner Umhängetasche.
Der Aussichtspunkt befand sich auf
einer kleinen Landzunge etwa zehn Meilen weiter südlich. Hinter den Klippen lag
flach und grau der Pazifik. Salzige Seeluft schlug sich auf der
Windschutzscheibe unseres Wagens nieder. Außer uns parkte nur noch ein
verbeulter VW-Bus mit kalifornischem Kennzeichen auf der Kiesfläche. Seine
Regenbogenfarben waren verblaßt. Ein Aufkleber auf der Stoßstange forderte uns
auf, Autorität zu mißtrauen. Darunter lagen eine Reihe leerer Bierdosen und
eine Weinflasche. Keine Frage, daß dem Bus bei Gelegenheit mindestens ein
Uralt-Hippie entsteigen würde, wahrscheinlich mit einem gewaltigen Kater.
Hy und ich blieben im Wagen sitzen und
blickten trübsinnig auf das Meer hinaus. Nach einer Weile berührte er mein Haar
und schob mir eine Locke hinter das Ohr.
»Du meinst also wirklich, ich hätte
etwas Komisches damit angestellt?«
»Eigentlich gefällt es mir so. Es paßt
zu dir. Aber es ist eben ein Schock, wenn sich jemand in so kurzer Zeit so
verändert.«
»Das könnte ich auch von dir sagen.«
Er seufzte. »Ich weiß. Laß uns beide
erst einmal versuchen, aus dieser Scheiße herauszukommen, ja?«
Ich nickte zögernd.
»Was kann deiner Meinung nach bei
Fontes passiert sein, McCone?«
Darüber hatte ich auf der ganzen Fahrt
hierher nachgedacht. »Entweder ein Unfall oder eine Schießerei. Ich tippe eher
auf letzteres.«
»Wer war es?«
»Wer, der Schütze oder das Opfer?« Ich
zuckte mit den Schultern und dachte an meine Spekulationen vor Morgengrauen.
»Salazar ist erst am Dienstag hierhergeflogen, nicht?«
»Hm. Dienstag abend gegen acht Uhr.«
»Warum hat er so lange gewartet? Warum
hat er das Akkreditiv nicht gleich zu Fontes gebracht, nachdem er es dir
abgenommen hatte? Er hat es wahrscheinlich überhaupt nur hergebracht, weil es
auf eine Firma der Fontes-Sippe ausgestellt war.«
»Vielleicht wußte er zuerst gar
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