Wölfe und Kojoten
nicht,
was er da in der Hand hatte oder was er damit anfangen sollte. Er war einfach
sauer und enttäuscht, als er erkannte, daß er Brockowitz und mich wegen eines
Stücks Papier überfallen hatte.«
»Um dahinterzukommen, was das Papier
bedeutete, brauchte er bis Dienstag. Und dann hat er sich mit dem falschen
Fontes in Verbindung gesetzt.«
»Wahrscheinlich wußte Salazar, daß
Emanuel mit einem Ganoven wie ihm kein Geschäft machen würde. Und
wahrscheinlich kennt er Gilbert schon lange. Ich habe läuten gehört, daß die
Corona Fleet, wenn sie San Diego anläuft, mehr löscht als nur Thunfisch.«
»Drogen?«
Er zuckte mit den Schultern. »So heißt
es.«
»Okay, Gilbert hat Salazar mit seinem
Flugzeug holen lassen. Salazar kam. Was hat er dann getan? Ich wette, er bot
Fontes das Akkreditiv zum Kauf an.«
»Das könnte durchaus zu ihm passen.«
»Aber Gilbert könnte das Akkreditiv
nicht einlösen. Er hat keine Beteiligung mehr an Colores.«
»Was hättest du an Fontes’ Stelle
getan?«
Ich dachte nach. »Ich hätte versucht,
das Akkreditiv an die Gesellschaft zurückzuverkaufen, auf deren Konto es
ausgestellt ist. Deshalb nahm er Kontakt mit Diane Mourning auf, die sich dann
eigentlich sofort an RKI hätte wenden müssen.«
»Was sie aber nicht tat.«
»Nein, statt dessen ging sie zu Ann
Navarro. Warum?«
»Du sagst, Ann Navarro bezieht Ware von
Colores. Das bedeutet wahrscheinlich, daß sie als einzige einen direkten Draht
zu Colores hat und das Akkreditiv daher einlösen könnte.«
»Woher sollte Diane das wissen? Woher
sollte sie wissen, daß ihr Mann die Entführung selbst inszeniert mit Hilfe von
Ann Navarro und Brockowitz?«
Er runzelte die Stirn, und sein Blick
wurde nachdenklich.
»Gestern abend«, sagte ich, »kurz bevor
du zu mir an den Strand kamst, habe ich beobachtet, wie Salazars Leibwächter
Timothy auf die Terrasse brachte. Mourning sah schlimm aus, viel schlimmer als
auf dem Foto, das man RKI geschickt hatte. Er schwankte und war offensichtlich
desorientiert. Er sah Diane und ging auf sie zu. Klar, seine Frau, das
bedeutete Sicherheit. Doch was tat Diane?«
Er zog eine Augenbraue hoch.
»Sie streckte die Arme aus«, sagte ich,
»als wolle sie ihn abwehren. Als habe sie Angst, er könne ihr etwas antun.«
»Und das heißt...?«
»Das kann nur eines bedeuten: Nicht
Timothy hat seine Entführung inszeniert. Diane war es. Und sie fürchtete, daß
er es herausbekommen hatte.«
Hy dachte nach.
»Diane hatte zwei Gründe«, fuhr ich
fort. »Den einen weißt du von Brockowitz: Phoenix Labs stehen vor der Pleite.
Die Lage ist also ganz anders, als sie mir die Finanzchefin von Phoenix am
Dienstag dargestellt hat. Den anderen hat mir Gage Renshaw genannt: Er habe das
Gefühl, Timothy wolle sich davonmachen, ohne Diane mitzunehmen. Lebend wäre er
für sie also schon bald nicht mehr von Nutzen, warum also nicht für seinen Tod
kassieren?«
»Lebensversicherungen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Renshaw sagt,
von denen habe Timothy nichts gehalten, weder von deren eigentlichem Zweck,
noch als Absicherung gegen Forderungen von Terroristen. Also entschloß sich Diane
zu einer Lösegeldforderung, die sämtliche noch vorhandenen Barmittel von
Phoenix in Anspruch nehmen würde. Wahrscheinlich forderte Brockowitz für seine
Rolle bei der Entführung ein mächtiges Stück von dem
Zwei-Millionen-Dollar-Kuchen. Aber der Rest war immer noch besser als gar
nichts.«
»Woher wußte sie denn, daß Stan so
etwas inszenieren würde? Soviel ich weiß, hat er sich bisher auf
Weiße-Kragen-Kriminalität beschränkt.«
»Wenn das hier alles vorbei ist, werden
wir mehr wissen. Erzähl mir von Brockowitz«, fügte ich hinzu. »Was war er für
ein Typ?«
»Einer, der stets nur seinen eigenen
Nutzen und Profit im Auge hatte. Anfangs wollte er Star in der Umweltbewegung
werden. Als das nicht klappte, erklärte er verärgert, der Umweltschutz könne
ihn mal. Er gründete seinen eigenen Laden und ging dann gegen die Leute an, die
ihn ausgebootet hatten. Ganz nebenbei entdeckte er seine Liebe zum Geld.
Angeblich nicht zur Kaufkraft des Geldes, obwohl er nicht schlecht lebte. Das
Geld als solches war der Reiz für ihn. Er liebte das Anhäufen von Geldbeträgen.
Er gehörte zu den Menschen, die für Geld alles tun — egal, was es ist und für
wen.«
»Und Ann Navarro?«
»Die ist etwas schwerer zu beurteilen.
Sie hat sich nie für etwas anderes engagiert als für ihre eigenen Interessen.
Ihre Familie ist arm
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