Wölfe und Kojoten
die Hände aus, wie um die Realität
abzuwehren. »Woher soll ich wissen, daß von dem, was Sie sagen, auch nur ein Wort wahr ist?«
»Sie haben mit Viner gesprochen. Das
war keine Finte.«
»Und Diane — woher soll ich wissen, daß
sie tatsächlich noch am Leben ist?«
Ich reichte ihr den Telefonhörer.
»Rufen Sie das Cabrillo-Krankenhaus in San Diego an. Erkundigen Sie sich nach
ihrem Zustand. Als ich bei ihr war, war er kritisch, aber stabil. Sie konnte
sich sogar kurz mit mir unterhalten.«
Ann Navarro sah das Telefon an, griff
aber nicht nach dem Hörer. »Okay, vielleicht stimmt es. Aber wenn Fontes mich
umbringen und das ganze Geld für sich behalten will, warum hat er dann Diane in
die Staaten zurückfliegen lassen? Er hätte sie doch einfach sterben lassen
können.«
»Ihr Leben und das von Tim ist seine
Garantie dafür, daß er das Geld bekommt. Er kann erst sicher sein, daß Sie mit
offenen Karten gespielt haben, wenn das Akkreditiv eingelöst ist. Geht in
Mexico City etwas schief, hat er Mittel, Sie zur Mitarbeit zu zwingen. Diane
ist Mittäterin, Tim das Opfer. Beide können gegen Sie aussagen.«
»Aber er hat mich wie eine
Geschäftspartnerin behandelt, wie einen Gast seines Hauses. Er hat mich in
keiner Weise eingeschränkt.«
»Natürlich nicht. Er will nicht, daß
Sie Verdacht schöpfen. Er wollte Sie wahrscheinlich bis zum Schluß in dem
Glauben lassen, daß Sie Ihren Anteil bekommen. Aber irgendwann wäre der
Augenblick gekommen, in dem er sich seiner Risikofaktoren — das sind Tim, Diane
und Sie — entledigen mußte. Bei Ihnen und Tim wäre das eine Kleinigkeit, und
auch bei Diane wäre es kein besonderes Problem. So wie ich in das Krankenhaus
gelangen konnte, können es auch Salazar oder Fontes’ Leute.«
Als sie schließlich die Realität
akzeptierte, flackerte Panik in ihrem Blick auf. »In das Haus da gehe ich nicht
zurück!«
»Und wohin wollen Sie gehen?« fragte Hy
und beschrieb mit dem Arm einen großen Kreis.
Ihr flehender Blick wanderte von mir zu
ihm.
»Nein«, sagte er, »wir werden Ihnen
nicht helfen.«
»Es sei denn, Sie helfen uns«, fügte
ich hinzu.
Schweigen. Hy und ich sahen einander
an. Wir warteten.
»In Ordnung«, sagte Ann Navarro mit
großer Überwindung. »Was soll ich tun?«
»Helfen Sie uns, Mourning dort
herauszubekommen.«
»Das ist unmöglich. Dazu müssen Sie an
Salazar, Jaime und Gilberts Bodyguard vorbei.«
»Zwei Bodyguards«, verbesserte Hy sie.
»Fontes hat zwei.« Offenbar hatte ihn Tomás oder jemand anders drüben im
Flußbett genauer informiert.
»Einer ist mit ihm in Mexico City.«
»Okay«, sagte ich, »wir haben also mit
dem einen Bodyguard, Salazar und Jaime zu tun. Sonst noch jemand auf dem
Grundstück?«
»Der Koch und das Dienstmädchen wohnen
nicht im Haus. Das Dienstmädchen hat, eine halbe Stunde bevor ich auf die
Terrasse ging, Eis ins Wohnzimmer gebracht und gesagt, sie beide gingen jetzt
heim.«
»Was ist mit dem Barmixer?«
»Der kommt nur, wenn Fontes Gäste hat.«
»Salazar hat außer Jaime niemanden
mitgebracht?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Okay, geben Sie uns eine Beschreibung
der Villa — wo Mourning gefangengehalten wird und wo die anderen ihre Schlafzimmer
haben.«
Ann Navarro beschrieb uns die Lage der
Zimmer und sonstiger Örtlichkeiten. Sie und Salazar wohnten in dem
glockenturmartigen Anbau, die übrigen in dem kürzeren Flügel am anderen Ende
des Gebäudes. Mournings Zimmer lag im Erdgeschoß zwischen denen der beiden
Leibwächter und direkt unter dem von Jaime. »Gibt es eine Alarmanlage?« fragte
Hy.
»Nicht, daß ich wüßte.«
»Sind alle schon zu Bett gegangen?«
»Ich glaube, ja. Aber bei Salazar weiß
man das nie genau. Er schleicht gern herum.«
Hy schnitt eine Grimasse und berührte
seinen linken Arm. »Dessen bin ich mir schmerzlich bewußt.« Er sah mich über
Ann hinweg an. »Ich sehe mir das Ganze am besten einmal durch die Kamera an.«
»Okay.« Ich sah ihm nach, wie er zum
Strand hinunterging.
Als Hy fort war, wurde Ann nervös, als
fürchte sie mich mehr als ihn. Sie sah zur Seite und zerriß das, was von dem
Zettel mit Viners Nummer noch übrig war. Sie zuckte zusammen, als ich den
Fensterheber und die Zentralverriegelung betätigte.
»Wird Salazar Sie suchen, wenn er Sie
nicht findet, wo er Sie zuletzt gesehen hat?« fragte ich.
»Das glaube ich nicht. Solange mein
Wagen da ist, wird er annehmen, ich wäre zu Bett gegangen.«
»Wird er in Ihrem Zimmer nachsehen?«
»Das
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