Wölfe und Kojoten
er hatte keine
Zeit dazu.«
»Wann wurde die Entführung entdeckt und
von wem?« fragte ich.
»Diane Mourning verließ um 7 Uhr 23 das
Haus. Wenigstens einer von ihnen änderte die Gewohnheiten. Sie hat den Wagen
gefunden und uns angerufen.«
»Warum nicht die Polizei?«
»Wir haben ein Abkommen mit unseren
Kunden, daß sie zuerst uns anrufen. Wenn wir zu dem Schluß kommen, es ist im
Interesse des Klienten, benachrichtigen wir die Polizei. Sicher ist Ihnen
bekannt, daß es keine Vorschrift gibt, nach der ein Bürger eine Entführung oder
Erpressung melden müßte.«
»Und war es in Mournings Interesse, es
der Polizei mitzuteilen?«
»Nein. Anfangs lag die Vermutung nahe,
Mourning könnte sein eigenes Verschwinden inszeniert haben, denn weder am
ersten Tag noch an den zwei folgenden ging eine Lösegeldforderung ein. Dennoch
sind wir von Anfang an so vorgegangen, als handele es sich um eine echte
Entführung. Es hatte Drohungen gegen die Laboratorien und die Mournings
persönlich gegeben, und zwar von einer Randgruppe verrückter Tierschützer.«
»Warum?«
»Weil man für die Herstellung des neuen
Interferon-1 eine Substanz braucht, die man aus den Knorpeln von Delphinen
gewinnt. Es waren mehrere Bombenandrohungen von einer Gruppe erfolgt, die sich
›Terramarine‹ nennt, sowie schriftliche und telefonische Mordandrohungen an die
Adresse der Mournings und anderer leitender Angestellter.«
»Alle von derselben Gruppe?«
»Das ist nicht eindeutig geklärt. Aber
von da bis zum Kidnapping ist nur ein kleiner Schritt.«
»Ich nehme an, Sie haben sich dann
wegen des Zusammenhangs mit dem Umweltschutz an Ripinsky gewandt.«
»Paradoxerweise nicht. Ich hatte mich
schon einige Wochen zuvor mit ihm in Verbindung gesetzt, weil ich ihn in
unserer Firma haben wollte. Wir brauchen einen Mann mit seinen Fähigkeiten. Wir
wollten uns am Mittwoch in La Jolla treffen. Ich war sogar bereit, ihm notfalls
eine Firmenbeteiligung anzubieten. Aber dann kam die Mourning-Entführung
dazwischen, und ich war bereits hier in der Stadt. Ich zog also Ripinsky hinzu,
damit er uns gegebenenfalls bei Verhandlungen mit den Umweltschützern helfen
konnte. Im Hinterkopf hatte ich dabei den Gedanken, die gemeinsamen Erlebnisse
von früher könnten ihn vielleicht bewegen, an Bord zu kommen.« Zu gern hätte
ich ihn gefragt, was es mit den »gemeinsamen Erlebnissen von früher« auf sich
hatte, woher er Hy kannte, was sie miteinander zu tun gehabt hatten und warum
Renshaw ihn in seiner RKI haben wollte. Aber das war unmöglich, ohne damit
meine Behauptung zu unterlaufen, daß ich ihn gut genug kannte, um ihn ohne
größere Probleme ausfindig machen zu können.
»Also gut«, sagte ich, »wie ging es
dann weiter?«
»Wir warteten, bis die Kidnapper sich
endlich am 4. Juni meldeten. Noch immer war nicht klar, ob die Kidnapper zu
Terramarine gehörten oder zu einer anderen Gruppe von Irren. Die Frau, die uns
anrief, sprach mit spanischem Akzent. Ripinsky meinte, es könne sich um eine
Mexikanerin handeln. Sie forderten zwei Millionen in kleinen, unmarkierten
Scheinen. Können Sie sich vorstellen, wie schwer und unhandlich so ein Paket
ist?«
»Ziemlich schwer und unhandlich,
vermute ich.«
»Runde zweihundertneunzig Pfund, genug,
um mehrere Kofferräume zu füllen. Wir haben versucht, sie zu überreden, eine
telegrafische Überweisung auf ein Konto in der Schweiz oder auf den Bahamas zu
akzeptieren, jedoch ohne Erfolg. Sie wissen, daß Regierung und Bank bei
Erpressungsversuchen zusammenarbeiten. Sie wollten Bargeld und waren sehr
nervös. Immerhin haben sie uns ein Lebenszeichen des Opfers geschickt.« Ein
neues Dia erschien auf der Leinwand: Timothy Mourning mit einem Exemplar der
›New York Times‹ vom 4. Juni in der Hand.
Renshaw fuhr fort: »Schließlich ist
Kessel — Dan Kessel, mein Partner — auf die Idee gekommen, ein unwiderrufliches
internationales Akkreditiv auszustellen, gezogen auf die Bank von Phoenix Labs
hier zugunsten einer von den Kidnappern zu benennenden ausländischen
Gesellschaft. Darauf sind sie eingegangen. Offenbar hatten sie einen
Vertrauensmann bei einer Firma namens Colores International mit Sitz in Mexico
City.«
»Sie haben das sicher überprüft.«
»Natürlich. Kein ganz kleines
Unternehmen. Produziert Seidenblumen und ähnlichen Kram. Der private Eigentümer
ist Emanuel Fontes, Mitglied einer der reichsten Familien Mexikos. Fontes ist
Umweltschützer und hat eine Reihe von Unternehmungen mit Spenden
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