Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
für viele von ihnen die kurzen Jahre auf der
Schule die einzige ruhmreiche Zeit geblieben waren. Sein unverfrorenes Grinsen
und der funkelnde Blick hinter der Nickelbrille deuteten auf einen scharfen
Verstand und eine ausgeprägte Lebensfreude hin.
    Auf Renshaws Knopfdruck erschien das
nächte Bild. »Diane Mourning«, sagte er. »Seit achtzehn Jahren mit Tim
verheiratet und Finanzchefin der Laboratorien.«
    Diane Mourning hatte ein schmales
Gesicht mit hohen Backenknochen, einer Adlernase und weit auseinanderstehenden
haselnußbraunen Augen. Ihr schulterlanges blondes Haar war ebenfalls lockig,
jedoch gezähmter als das ihres Mannes. Im Gegensatz zu Timothy war bei ihr
offensichtlich, daß sie das Posieren für ein Foto als ernsthafte Angelegenheit
betrachtete: Sie starrte entschlossen in die Kamera, wobei ihr kleiner Mund
eine feste, gerade Linie bildete. Von Humor war da nicht viel vorhanden, dachte
ich und überlegte, wie die beiden wohl miteinander zurechtkommen mochten.
Renshaw zeigte das nächste Foto, ein weitläufiges, einstöckiges, verputztes
Gebäude, umgeben von einem Maschendrahtzaun, der oben mit Stacheldraht
abschloß. Zu beiden Seiten lagen offene Felder, und im Hintergrund erhob sich
eine Hügellandschaft mit vereinzelten Eichen. Gleich neben dem Tor mit dem
Schild ›Phoenix Labs, Inc.‹ stand eine Wachhütte.
    »Das Firmengebäude in Novato«, erklärte
Renshaw. »Ursprünglich ein reiner Produktionsbetrieb, doch irgendwann einmal
wird daneben ein Büroturm errichtet werden. Phoenix gehört zu den Marktführern
auf biotechnischem Gebiet. Kennen Sie sich in Biotechnik aus?«
    »Nicht besonders.«
    »Ich gebe Ihnen Informationsmaterial zu
lesen. Im Grunde ist Biotechnik das Gebiet der Zukunft: — Gentechnik,
Gesundheitsvorsorge und Heilverfahren. Ein Industriezweig mit großen
Wachstumschancen hier in der Gegend. Vor neun Monaten meldete Phoenix, daß sie
an der Entwicklung eines Medikaments namens Interferon-1 arbeiteten, das das
Wachstum des HIV-Virus hemmen könne. Mit der Emission neuer Aktien sollte die
letzte Entwicklungsphase finanziert werden.«
    »Im ›Chronicle‹ habe ich gelesen, daß
diese Emission zurückgezogen wurde. Warum?«
    Als Antwort erschien ein neues Bild auf
der Leinwand: eine schmale Straße, die durch eine wilde Vegetation führte. Ein
roter Mazda-Sportwagen steckte mit der Schnauze im rechten Straßengraben. »An
dieser Stelle wurde Timothy Mourning gekidnappt«, sagte Renshaw. »Am Dienstag,
den 1. Juni, um etwa sieben Uhr zehn. Auf der Straße, die zu seinem Haus in der
Nähe von Novato führt.« Phoenix Labs war also Klient von RKI. »Hatte Mourning
eine Anti-Terrorismus-Versicherung?«
    »Nein. Er war äußerst skeptisch
gegenüber dem Umfang eines solchen Versicherungsschutzes.«
    »Warum?«
    »Obwohl der Abschluß solcher
Versicherungen streng geheim gehalten werden soll, gibt es doch immer wieder
einmal undichte Stellen. Dringt dann etwas nach außen, so ist das geradezu eine
Einladung für kriminelle Randgruppen. Mourning verläßt sich lieber auf solide
Sicherheitsvorkehrungen sowie eine effektive Vorausplanung für den Fall
unvorhergesehener Ereignisse als auf Versicherungen. Er hat nicht einmal eine
Risiko- oder Lebensversicherung. Offenbar war er wohl von der falschen Annahme
ausgegangen, es könne ihm nichts passieren. Jedenfalls hat er die Ratschläge,
die wir ihm gegeben hatten, ignoriert.«
    »Und die lauteten?«
    »Routineratschläge: Variieren Sie
täglich Ihre Fahrtroute zur Arbeit. Ändern Sie häufig Ihre Gewohnheiten. Halten
Sie unter gar keinen Umständen an, um jemandem zu helfen. Sollten Sie
angehalten werden, halten Sie unbedingt Fenster und Türen verriegelt. Rufen Sie
über Autotelefon Hilfe herbei. Zugegeben, seine Fahrtroute zur Arbeit konnte er
nicht ändern. Er wohnt an einer einsamen Straße — Crazy Horse —, und es gibt
nur eine einzige Zufahrt zu seinem Haus. Aber er hätte zumindest zu
unterschiedlichen Zeiten von zu Hause wegfahren können, wenn er nicht so ein
verdammt stures Gewohnheitstier gewesen wäre. Und überhaupt...«
    Renshaw wechselte das Dia. Eine
Nahaufnahme des Wagens mit weit offener Fahrertür erschien auf der Leinwand.
»Wir vermuten, er wurde in den Graben abgedrängt. Entweder ist er selber
ausgestiegen, oder er fuhr mit unverschlossener Tür und wurde herausgezerrt.«
Das nächste Dia zeigte den Wagen von innen. Der Telefonhörer lag auf der Gabel.
»Entweder hat er das Telefon gar nicht benutzen wollen, oder

Weitere Kostenlose Bücher