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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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der reflektierenden
Brille war hart und eisig, die Mundpartie blaß. »Sollten Sie auch nur die
geringste Zuneigung für Ripinsky empfinden, wird es hart werden für Sie. Wenn
ich ihn finde, bringe ich ihn um.«

5
    Ich mußte all meine Schauspielkünste
aufbringen. Mit unbeteiligter Stimme fragte ich: »Was hat Ripinsky Ihnen denn
getan?« Renshaw schüttelte den Kopf. »Das ist vertraulich — genau wie Ihre
Geschäfte mit ihm.«
    Ich dachte einen Augenblick nach. »In
Ordnung«, sagte ich, »ich sage Ihnen, was meiner Meinung nach passiert ist. Sie
oder Ihr Partner haben Ripinsky engagiert, möglicherweise für einen Auftrag,
der seine besonderen Talente erforderte. Ripinsky hat Sie übers Ohr gehauen
oder ein doppeltes Spiel gespielt. Sie sagen, Sie suchen ihn, also wissen Sie
wahrscheinlich genausowenig wie ich, wo er steckt. Deswegen waren Sie auch
bereit, mich zu empfangen. Sie dachten, ich könnte Ihnen vielleicht einen
Hinweis geben.«
    Renshaw sah mich mit
zusammengekniffenen Augen an.
    »Und genau das ist der Punkt, an dem
ich Ihnen helfen kann«, fügte ich hinzu. »Wenn Sie mir sagen, was passiert ist,
kann ich ihn ausfindig machen. Sehen Sie, Ripinsky und ich hatten mal ein
Verhältnis. Ich kenne seine Denkweise.« Gleich zwei Lügen auf einmal, McCone.
    Renshaw zog ungläubig die Augenbrauen
hoch. »Sie hatten mal ein Verhältnis mit ihm und wollen ihn mir jetzt ans
Messer liefern?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Die
Dinge ändern sich. Die Menschen auch.«
    »Das klingt kalt, Miss McCone.«
    »Sie waren mal mit Ripinsky
befreundet?«
    Er nickte.
    »Dann müßten Sie das ja verstehen.«
    Er nahm sich Zeit. Er erhob sich wieder
und ging auf und ab. Ich beobachtete ihn aufmerksam. Dieser Mann wollte Hy
töten. Wenn ich das verhindern wollte, mußte ich ihn genau kennenlernen. »Miss
McCone«, sagte er nach einer Pause, »soweit ich weiß, sind Sie eine gute
Ermittlerin, und Sie haben mir gegenüber einen Vorteil — falls das mit Ihrem
früheren Verhältnis mit Ripinsky stimmt. Dennoch bezweifle ich, daß Sie ihn
aufspüren können, nachdem es unseren Leuten Sonntag abend nicht gelungen ist.«
    Sonntag abend — nicht Samstag, als der
Leihwagen zurückgebracht worden war. »Dann haben wir jetzt eine Pattsituation.«
    Er stemmte die Hände in die Hüften und
sah mich an. »Ihnen dürfte wohl klar sein, daß ich Ihnen kein Wort von Ihrer
Geschichte glaube — diese geschäftliche Sache, Investoren, die auf Diskretion
bestehen, Ripinsky, der Sie reingelegt hat. Ich glaube Ihnen nicht einmal den
eigentlich plausibleren Teil Ihrer Geschichte, nämlich daß er Sie
fallengelassen hat und Sie jetzt versuchen, mich zu benutzen, um wieder an ihn
heranzukommen. Das sieht mir alles sehr nach einer verschleierten
Privatangelegenheit aus, über die ich mir nicht lange den Kopf zerbrechen
werde.«
    »Meine Motive sind gleichgültig. Nicht
gleichgültig dagegen ist die Tatsache, daß Sie mich anheuern können, das zu
erreichen, was Ihren Leuten bisher nicht gelungen ist.«
    Renshaw gab keine Antwort, aber seine
Augen wanderten langsam und abwägend hin und her. Er neigte den Kopf zur Seite,
als lausche er einer inneren Debatte. Dann nickte er und sagte: »Okay, kommen
Sie mit.« Er ging zur Tür.
    Ich stand auf und folgte ihm. »Wohin
gehen wir?«
    »Nach unten. Ich muß Sie mit einer
Menge Material vertraut machen. Danach sprechen wir über Ihr Honorar.«
     
    Fünf Minuten später saß ich in der ersten
Reihe eines Vorführraums neben der Eingangshalle. Renshaw betätigte einen
Schalter auf einer Konsole zwischen uns. Das Licht wurde herabgedimmt. Nach
einem Knopfdruck erschien auf der Leinwand das Bild eines Mannes.
    »Timothy Mourning«, sagte Renshaw. »Gesellschafter
und Chefmanager bei Phoenix Labs.«
    Phoenix Labs. Wo hatte ich...? Ja,
richtig — die Gesellschaft, die neue Aktien emittieren wollte, den Entschluß
jedoch plötzlich wieder zurückgezogen hatte. Ich hatte am Morgen versucht, den
Artikel darüber im Wirtschaftsteil zu lesen, und war dabei fast eingeschlafen.
Ich betrachtete das Gesicht des Mannes. Für einen Vorstandsvorsitzenden war er
recht jung, etwa Mitte dreißig. Er war untersetzt und hatte einen Schnurrbart.
Sein Haaransatz lichtete sich bereits, doch darüber wuchs noch ein dichtes
Gewirr dunkelblonder Locken. Ich hätte wetten können, daß seine
Klassenkameraden auf der High-School ihn für einen Trottel gehalten haben.
    Doch jetzt war Mourning Chef einer
ganzen Gesellschaft, während

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