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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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ändern sich. Die Menschen auch.«
    Renshaw holte tief Luft. Sein Gesicht
war blaß und verzerrt. »Aufgrund meiner Dummheit verfault wahrscheinlich
Timothy Mournings Leiche mit einer Kugel im Kopf in irgendeinem Straßengraben,
während Ripinsky sich gemütlich in seinem Sessel zurücklehnt und wartet, bis
die Luft rein genug ist, um die zwei Millionen Dollar zu kassieren.« Seine
Augen funkelten in der Dunkelheit. »Dafür wird Ripinsky bezahlen.«
    Ich war froh, daß er mich nicht genau
beobachten konnte. Ich starrte auf die Leinwand mit dem Bild Mournings, der die
›Times‹ vom 4. Juni in der Hand hatte. Das Lächeln war aus seinem Gesicht
verschwunden und einer starren Maske nackter Angst gewichen. Timothy Mourning
hatte gewußt, daß er sterben würde.
    Aber das lag nicht an Hys Aktionen. So
wenig ich auch von ihm wußte, so sicher war ich doch, daß er niemals gemeinsame
Sache mit den Kidnappern gemacht hätte. Auch auf eigene Faust würde er nie
etwas Derartiges tun. Niemals würde er den Tod dieses unschuldigen Mannes in
Kauf nehmen. Auf den ersten Blick sprachen manche Umstände gegen ihn. Bohrte
ich aber tief genug nach, würde ich auf neue Tatsachen stoßen. Und ich würde
nachbohren. Gage Renshaw sollte Hy nicht für etwas zahlen lassen, womit er
nichts zu tun hatte.
    »Sind Sie noch immer dabei, Miss
McCone?« fragte Renshaw. Meine Gesichtszüge verhärteten sich, als er das Licht
heller stellte. Ich drehte mich zu ihm um und sagte mit fester Stimme: »Ja, ich
bin dabei.«
    »Dann lassen Sie uns jetzt über Ihr
Honorar reden.«
     
     
     

6
    Der Handel mit Gage Renshaw wäre
lukrativ gewesen, wenn ich je die Absicht gehabt hätte, darauf einzugehen. Es
traf mich wie ein Schlag, wieviel Geld zu machen war, sobald man für bestimmte
Typen arbeitete. Die ungeheure Summe, die Renshaw zu zahlen bereit war, wenn
ich ihn auf Hys Spur führte, machte mir eines klar: Ich war jahrelang noch viel
schlechter bezahlt worden, als ich es ohnehin schon vermutet hatte. Plötzlich
fühlte ich mich wie ein Greenhorn auf einem Gebiet, auf dem ich mich noch
wenige Stunden zuvor als Vollprofi betrachtet hatte. Rechnete ich noch die
Spesen hinzu, die Renshaw obendrein zu zahlen bereit war, hätte ich hier mit
einem einzigen Auftrag nur unwesentlich weniger verdient als bei All Souls in
einem ganzen Jahr.
    Mit Ermittlungen ließ sich tatsächlich
eine Menge Geld machen — vorausgesetzt, man war bereit, für eine Firma wie RKI
zu arbeiten. Vorausgesetzt, man war bereit, sich die Spielregeln wie sie
zurechtzubiegen. Und vorausgesetzt, man wäre unempfindlich gegen Alpträume,
Schuldgefühle und Horrorvisionen.
    Auf mich allerdings traf nichts von
alldem zu. Ich steckte den Scheck ein, dessen Ausstellung Renshaw bei der
Buchhaltung für meine Auslagen veranlaßt hatte. Dann notierte ich mir den Weg
zum Haus der Mournings bei Novato, wo ich um vier mit Renshaw verabredet war.
Renshaw erzählte, Diane Mourning habe es strikt abgelehnt, die Polizei
einzuschalten, was sie jedoch keineswegs gehindert hatte, RKI vorzuwerfen, die
Situation falsch zu handhaben. Vielleicht konnte ihr das Gespräch mit mir die
Gewißheit vermitteln, daß auch weiterhin alles Menschenmögliche getan würde. Da
ich ohnehin gehofft hatte, mit der Frau des Opfers sprechen zu können, lohnte
sich die Fahrt in jedem Fall.
    Nachdem die Unterredung mit Renshaw
beendet war, fuhr ich zur Hausbank von RKI und löste den Scheck ein,
anschließend hielt ich bei der nächsten Filiale der Bank of America, zahlte den
größten Teil auf mein Konto ein und behielt nur einen Rest für kleinere
Ausgaben in der Tasche. Dann fuhr ich ins Büro, um noch etwas Papierkram zu
erledigen und mit Rae zu sprechen.
    Bei All Souls war es verhältnismäßig
ruhig. Ted war in seinem Sessel zusammengesunken und starrte auf den
Bildschirm. Ich griff nach der Post in meinem Fach und sagte: »Aino, amas,
amat.« Das war die einzige Konjugation, die mir aus dem Lateinunterricht an
der High-School noch im Gedächtnis war.
    Er starrte weiter auf seinen Bildschirm
und nahm keine Notiz von mir.
    »Wie lautet die lateinische Losung des
Tages?« fragte ich.
    »Tete futae.«
    Seine ungewohnte Grobheit ärgerte mich.
    »Du kannst mich mal«, sagte ich und
stieg die Treppe hinauf.
    Was sollte das bloß wieder? fragte ich
mich und ließ Tasche und Jacke auf die Couch fallen. Als ich mich am Abend
zuvor von ihm verabschiedet hatte, war er noch richtig nett und freundlich
gewesen. Vielleicht wirkten

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