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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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ich hineingehen konnte, und fragte mich, ob ich
Ann heiße. Ich sagte ja. Ann, Ana.« Sie zuckte mit den Schultern.
    »Und weiter?«
    »Dann fragte er mich: ›Wo finde ich...‹
Ich glaube, er sagte Brockowitz. ›Wo finde ich Brockowitz?‹ Kann das sein?«
    »Möglich.«
    »Ich habe nicht geantwortet. Er faßte
mich am Arm.« Sie zeigte es mir, packte mit der rechten Hand ihren linken
Unterarm und riß daran. »»Kommen Sie‹, sagte er, »ich bin es leid zu warten.‹
Er tat mir weh.«
    Grobheiten einer Frau gegenüber paßten
nicht zu Hy — es sei denn, er hielt sie für eine Feindin, eine Kontaktfrau der
Kidnapper. »Was ist dann passiert?«
    »Ich bekam Angst. Er sah mir ins
Gesicht und fragte: »Sind Sie nicht Ann Navarro?‹ Ich sagte nein. Er ließ mich
los und entschuldigte sich, daß er mich erschreckt hatte. Dann bin ich in den
Laden gerannt.«
    »Er versuchte nicht, Ihnen zu folgen?«
    »Nein. Er rief mir nur noch einmal
nach, es täte ihm leid.«
    »War er noch da, als Sie wieder
herauskamen?«
    »Nein.«
    »Und wie lange waren Sie im Laden?«
    »Zehn Minuten? Vielleicht länger. Es
waren Leute drinnen, und der Mann konnte zuerst nicht mit mir reden.« Sie hielt
inne und strich mit den Fingern die Decke glatt. »Dieser Mann — ist er Ihr
Feind?«
    »Nein, ein Freund.«
    »Ein guter Freund?«
    »Ein sehr guter.«
    »Dann will ich es Ihnen sagen. Wäre er
Ihr Feind, würde ich es nicht tun, denn er hat eine gute Ausstrahlung, la
dulzura — Sanftmut. Ich habe sie in seinen Augen gesehen, als er meinen Arm
losließ. Mein Freund, der hier wohnt, hat den Mann auch gesehen, und am selben
Abend noch einmal.«
    »Wo?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das weiß ich
nicht mehr. Aber wenn Sie wollen, frage ich ihn.«
    »Ich würde gerne selbst mit ihm
sprechen. Wann kommt er heim?«
    »Ich glaube, erst sehr spät. Er
arbeitet. Dann geht er in die Tradewinds Bar hier in der Nähe. Ich rufe ihn
dort an, dann kann er sich bei Ihnen melden.«
    Ich zögerte. Ana schien aufrichtig zu
sein. »Nein, ich werde einfach hingehen. Wie heißt Ihr Freund?«
    »Luis Abrego. Er hat einen mostacho.« Ihre Finger zeichneten Länge und Form seines Schnauzbarts nach. »Sehr lange
Haare.« Sie zeigte Schulterlänge. »Und er hat eine sehr dunkle Haut.«
    »Danke, ich werde mit ihm reden.«
    »Ich danke Ihnen.« Sie stand auf
und berührte sachte die Geldscheine auf dem Couchtisch. »Dieses Geld macht
vieles möglich.«
     
    Als ich zum Scout zurückkam, saß John
tief in seinem Sitz versunken und sah mürrisch ein paar Kindern zu, die in
einer Mülltonne vor einem der Nachbarhäuser stöberten. »Mein Gott«, sagte er,
als ich einstieg, »eines der Kinder hat ein Stück schimmeliges Brot aus der
Tonne gegessen. Mich läßt der Gedanke nicht los, wie ich mich wohl fühlen
würde, wenn meine Söhne so hungrig wären.«
    »Sie sind es nie gewesen und werden es,
so Gott will, auch nie sein.«
    »Nein, aber die hier sollten es auch
nicht sein.« Er richtete sich auf. »Hast du irgend etwas erfahren?«
    Ich erzählte ihm, was Ana Orozco mir
berichtet hatte. »Es ist jetzt kurz nach vier«, schloß ich. »Es bleibt mir also
noch genug Zeit, dich nach Hause zu fahren, bevor ich ins Tradewinds gehe und
mit Luis Abrego rede.«
    John verschränkte die Arme und schob
das Kinn vor. »Ich habe dir vorhin schon gesagt, du läufst nicht ohne mich in
dieser Gegend herum.«
    »John, was, meinst du, habe ich...«
    »All die Jahre gemacht — ich weiß.
Ertrage mich einfach mit Geduld.«
    Ich seufzte. John hielt es für
Zustimmung und richtete sich auf. »Brockowitz«, sagte er. »Sonderbarer Name.«
    »Ganz bestimmt kein Latino, und das
bringt die Theorie ins Wanken, Mournings Kidnapper seien Mexikaner. Natürlich
kann es auch ein Deckname sein oder ein Verbindungsmann der Kidnapper.
Andererseits stützt sich diese Theorie ausschließlich auf Hys Angabe über den
Akzent der Kontaktfrau. Zwar kennt sich Hy in Sprachen sehr gut aus, aber ich
frage mich, ob eine Stimme am Telefon für eine solche Vermutung wirklich
ausreicht. Dann ist da noch dieser andere Name — Ann Navarro. Wahrscheinlich
Latina, bis auf den anglisierten Vornamen. Wer weiß? Ana war ganz sicher, daß
sie Ann hieß. Und ich bin ziemlich sicher, daß sie zuverlässig ist. Aber mir
wäre entschieden wohler, wenn ich etwas über diesen Luis Abrego erführe, bevor
ich...« Ich brach ab, weil John mich mit offenem Mund anstarrte. »Was ist?«
    »Führst du immer

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