Wölfe und Kojoten
Scheine.«
»Das ist eine Menge. Warum so eine
krumme Summe?«
»Weil sie zweihundertzweiundzwanzig
hat, und die Abtreibungsklinik zweihundertfünfundneunzig berechnet. Das ist
auch der Grund, warum sie in dem Laden bekannt war. Sie war am Sonntag über die
Grenze gekommen und hatte sich nach einschlägigen Kliniken erkundigt.«
»Ich dachte, man fährt nach Mexiko, wenn man abtreiben lassen will. Zumindest war das so während meiner
High-School-Zeit.«
John schüttelte den Kopf und sah mich
ernst an. »Auch damals war Abtreibung in Mexiko illegal, und man ging mächtig
scharf gegen die Kliniken vor. Die Frau eines Kumpels von mir arbeitet in einer
Klinik im Hillcrest-Distrikt in der Nähe des Uni-Ambulatoriums. Sie behauptet,
daß seit Anfang der sechziger Jahre nur eine Sorte von Abtreibungen in Tijuana
zu kaufen war, und zwar von Taxifahrern mit rostigen Messern und Zangen. Ich
weiß nicht, ob das stimmt, aber eines weiß ich: Die Methoden, die da unten
angewandt werden, sind für die Frau nicht gerade gesundheitsfördernd. Und teuer
sind sie obendrein.«
»Also raten mexikanische Ärzte ihren
Patientinnen jetzt, nach San Diego zu gehen.«
»Genau. Gina, die Frau meines Freundes,
sagt, daß rund ein Viertel der Frauen, an denen in ihrer Klinik dieser Eingriff
vorgenommen wird, aus Mexiko kommt.«
Wir schweiften ab. »Ist Pete der
Meinung, daß die Frau in Ordnung ist?« fragte ich. »Oder weiß sie vielleicht
gar nichts und wittert nur eine gute Gelegenheit, um an Geld zu kommen?«
John zuckte mit den Schultern. »Pete
hat zwar Vertrauen zu Vic, aber die Frau kennt er nicht.«
»Na ja, es ist meine einzige Spur.
Kannst du mir mit etwas Bargeld aushelfen?«
»Ich setze es dir auf die Rechnung.«
»Wo ist die Frau?«
»In National City.«
»Und ihre Adresse?«
Er zögerte und nahm sich Zeit, sein
Bier auszutrinken. »Ich bringe dich hin.«
»Nein, gib mir nur die Adresse. Das ist
eine Sache, die ich selbst...«
»Nein.« Er richtete sich auf, ging zum
Schreibtisch und kramte in einer Geldkassette. »Es ist eine rauhe Gegend da
unten, und du solltest nicht...«
»Was habe ich deiner Meinung nach denn
all die Jahre getan? Bin ich etwa mit Leibwächtern unterwegs?«
»Offensichtlich nicht. Und man hat dich
mit Messern attackiert, fast ertränkt und dir in den Hintern geschossen. Gott
weiß, was sonst noch alles passiert ist, was du mir nie erzählt hast.«
»John, ich kann schon auf mich
aufpassen.«
»In Ordnung — du kannst es. Aber warum
machst du es dir schwerer, als du müßtest?«
»Ich denke dabei an dich. Das hier ist
möglicherweise eine gefährliche Situation, und ich rede nicht von
Straßenräubern. Es ist nicht dein Problem, und ich möchte dich nicht
hineinziehen...«
»Ich bin schon mittendrin.«
»Nein, bist du nicht.«
Er breitete zornig die Arme aus. »Soll
ich etwa vor dir niederknien und dich anflehen, mich mitzunehmen? Also gut.« Er
ließ sich auf ein Knie nieder und hob bittend die Hände. »Liebe Schwester,
bitte, nimm mich mit.«
»Das ist doch lächerlich. Steh auf!«
Ich zerrte an seinem Arm.
Er blieb, wo er war und grinste
idiotisch.
Einen Moment lang wollte ich ihm schon
sagen, daß ich Pas .45 er in der Tasche hatte. Aber daß ich eine Waffe trug,
hatte in der Vergangenheit eine Barriere zwischen uns aufgerichtet — eine
Barriere, die auch zwischen mir und anderen Menschen stand, an denen mir lag.
»Ach, zum Teufel!« rief ich. Ich konnte ihn genausogut mitnehmen, damit er auf
eventuelle Verfolger achtete, während ich fuhr. Dennoch mußten zuvor ein paar
Grundregeln aufgestellt werden. »In Ordnung«, sagte ich, »du kannst mitkommen.
Aber du kannst nicht mit hineinkommen, wenn ich mit der Frau rede. Und
du tust genau das, was ich dir sage. Während ich fahre, kannst du mich lotsen.«
»Der Scout gehört mir.«
»Du hast getrunken.«
»Ein Bier.«
»Eins ist schon genug. Willst du jetzt
mit oder nicht?«
Er schob kampflustig das Kinn vor. Ich
erinnerte mich, wie er sich mit sieben schmollend von Ma eine Ohrfeige
eingefangen hatte für den Versuch, im Zoo in das Gehege der Polarbären zu
klettern. »Willst du nun mit oder nicht?« wiederholte ich.
Er stand auf. »Aus dir ist ja eine
richtige Sklaventreiberin geworden.«
»Wirst du dich an die Regeln halten und
genau tun, was ich dir sage?«
»Seit wann stellst eigentlich du die
Regeln auf?«
Ich sah ihn nur an.
»In Ordnung, ich halte mich daran,
verdammt noch mal! Irgend jemand muß dich ja vor dir
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