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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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ich
sie nennen? Leibwächter?«
    »Ich kenne jemanden, der nennt sie
seine ›Leute‹. Das richtige Wort wäre Schläger.«
    »Ja. Fontes hatte Schläger engagiert,
und die haben einige Demonstranten ziemlich übel zusammengeschlagen. Die Gewalt
eskalierte. Eine Gruppe Einheimischer hat sich bewaffnet — nicht gegen die
Demonstranten, sondern gegen Fontes. Kennen Sie seine Reaktion darauf?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Er verlegte seine Flotte nach
Ensenada, und das trieb eine unserer Konservenfabriken fast in den Bankrott.
Dann verließ er sein Haus in Point Loma und zog nach Baja California. Das Haus
gehört ihm noch, aber er nutzt es selbst nicht mehr. Seltsame Leute gehen da
jetzt ein und aus, und das macht die Nachbarn, auch mich selbst, ziemlich
nervös. Vor ein paar Jahren haben sich einige von uns zusammengetan und ihm ein
Angebot für das Haus gemacht, aber Fontes lehnte ab. Das ist seine Art
zurückzuschlagen.«
    »Wo wohnt Fontes jetzt? In Ensenada?«
    »Nein, in einem kleinen Ort an der
Küste, wo ihn die Polizei vor Protestaktionen schützen kann. Auch die
mexikanischen Umweltschützer lehnen seine Geschäftspraktiken rigoros ab. Wie
Sie sicher wissen, gehört Mexiko zu den Unterzeichnerstaaten für das
internationale Abkommen, die Jagd auf Delphine um achtzig Prozent zu
reduzieren. Aber Fontes ließ sich dadurch nicht bremsen.«
    »Fontes hat einen Bruder, der sich als
Umweltschützer engagiert. Stimmt das?«
    »Ja. Die beiden reden nicht
miteinander. Emanuel, der Bruder, hat vor vielen Jahren Gilberts Anteil am
Familienunternehmen — einem Fabrikkonzern — aufgekauft. Aber er hat nie gewagt,
seine Verbindungen zu nutzen und eine Protestaktion gegen Gilbert zu
organisieren.« Der Professor lächelte schmerzlich. »Rede- und
Versammlungsfreiheit haben bei der mexikanischen Bundespolizei keinen hohen
Stellenwert.«
    »Wo in Baja liegt dieser Ort?«
    »Südlich von Ensenada. Es heißt El Sueño
— ›Der Traum‹. Viele reiche Leute haben dort ihre Häuser, Mexikaner wie
Amerikaner.«
    »Und das Haus in Point Loma?«
    »Das liegt am Sunset Cliffs Boulevard.«
Professor Haslett sah mich neugierig an. »Sie scheinen ja sehr an Gilbert
Fontes interessiert zu sein. Hat er mit der Angelegenheit zu tun, wegen der Sie
hier sind?«
    »Möglicherweise. Da Sie sich mit
Umweltschutz-Organisationen auskennen: Was wissen Sie über eine Gruppe namens
Terramarine?«
    »Extremisten und Irre, die die
Umweltbewegung nur in Mißkredit bringen. Sie erinnern mich an kleine Kinder,
die irgendwo auf einem unbebauten Grundstück in einer Pappschachtelhütte
Kriegspläne schmieden. Sie zündeln mit Streichhölzern und reden davon, wie sie
die Welt in Brand setzen werden. Doch am Ende geht ihnen nur eines in Flammen
auf, nämlich ihre Pappschachtel und sie dazu. Leider werden oft genug auch
Unschuldige in Mitleidenschaft gezogen.«
    »Können Sie sich vorstellen, daß sie
erfolgreich einen Terrorakt inszenieren? Zum Beispiel eine Entführung mit einer
erheblichen Lösegeldforderung?«
    Er dachte nach. »Sie würden es
verpatzen — jämmerlich verpatzen. Ihr Opfer täte mir leid, denn es würde nicht
überleben.«
    Sein Blick war jetzt fragend und
besorgt. Ich wich ihm aus, indem ich zum Hafen sah. Die Luft war heiß und
schwül geworden. Mein Kopf und meine Stirn waren feucht.
    »Sharon«, sagte der Professor nach
einer Weile, »ich glaube, ich sollte eines ganz deutlich betonen: Die
Terramarine-Leute sind zwar Dummköpfe, aber ihre ausgeprägte Dummheit macht sie
gefährlich.«
    Ich nickte.
    »Ich fange an, Ihrer Mutter
zuzustimmen, wenn sie sich Sorgen um Sie macht. Stecken Sie in irgendwelchen
Schwierigkeiten? Kann ich Ihnen helfen?«
    Ich preßte die Lippen zusammen.
Seltsamerweise fühlte ich mich an meine letzte Beichte erinnert, an Pater
Hallorans mit freundlich besorgter Stimme verheißenen Trost des Glaubens, und
an meine Weigerung, diesen Trost anzunehmen, weil ich tief in meinem Innern
nicht mehr glaubte; und daran, daß das in seinen Augen meine Sünden
unverzeihlich machte und meine Seele der Verdammnis preisgab. Vor vielen Jahren
schon war ich aus der katholischen Kirche ausgetreten, doch jetzt spürte ich
ein tiefes Verlangen, eine Art Bekenntnis abzulegen. Lange Zeit hatte ich nicht
geglaubt, daß irgend jemand mir meine Last von den Schultern nehmen könnte,
doch jetzt hätte ich sie gern diesem alten Mann zu Füßen gelegt.
    Doch der alte Mann war im Grunde ein
Fremder, und ich konnte ihn einfach nicht mit

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