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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Haslett musterte mich. »Sie
sehen verändert aus. Kommt das daher, daß Sie Ihr Haar haben abschneiden
lassen?«
    »Ja.«
    »Sehr kleidsam.« Er bot mir mit einer
Handbewegung zugleich Platz auf seiner Bank und die Hälfte seines Sandwichs an.
Das erste nahm ich an, das zweite nicht. »Seltsam«, meinte er dann. »Gestern
abend habe ich noch mit Melvin geredet, und er hat mir gar nicht gesagt, daß er
Ihren Besuch erwartete.«
    »Ich habe auch nicht vor, sie zu
besuchen. Ich bin geschäftlich unterwegs und habe nicht angerufen, weil meine
Zeit knapp ist. Meine Mutter wäre nur enttäuscht, wenn ich nur kurz
vorbeikäme.«
    »Und natürlich würde sie sich Sorgen
machen. Kay macht sich immer Sorgen um Sie, weil Ihr Beruf so gefährlich ist.«
    »Sie übertreibt die Gefahren. Professor
Haslett, ich hoffe, daß Sie mir mit einer Information helfen können. Als ich
bei Ihnen zu Hause angerufen habe, sagte mir Ihre Haushälterin, daß ich Sie
hier finden würde.«
    Sein Lächeln hatte etwas leicht
Melancholisches bekommen. »Ich vermute, Sie finden mein Benehmen seltsam,
vielleicht sogar bemitleidenswert. Ein alter Mann sollte etwas mehr Würde
besitzen und sich nicht, wie die Helden seiner Kindheit gekleidet, in seinem
geliebten Hafen auf eine Bank setzen und der Vergangenheit nachtrauern.«
    Haslett war Historiker und hatte die Geschichte der San Diego Bay geschrieben. Er hatte mehr als die meisten anderen
das Recht, der Vergangenheit nachzutrauern, schließlich kannte er sie wie kein anderer.
    »Ich sehe einen Mann vor mir, der die
Kleidung trägt, in der er sich wohl fühlt, und den es an einen Ort zieht, der
immer noch schön ist. Ich würde meine Samstage auch gerne so verbringen.«
    »Wenn es Ihnen tatsächlich gefällt,
einfach ruhig dazusitzen und auf den Hafen hinauszuschauen, dann sind Sie
tatsächlich die ungewöhnliche junge Frau, die Ihre Mutter mir geschildert hat«,
antwortete er. »Heutzutage sind viele nicht mehr fähig zur Kontemplation. Sie
wollen unterhalten werden. Und sie halten die Vergangenheit nicht in Ehren,
haben einfach kein Interesse an ihr. Meine ehemaligen Studenten sind das beste
Beispiel dafür: Die meisten haben Geschichte nur gewählt, um irgendwelchen
Studienanforderungen zu genügen. Sie wollten mit Fakten und deren Interpretation
gefüttert werden, um sie im Examen wieder ausspucken und den nächsten Punkt auf
ihrer Ausbildungsliste abhaken zu können. Ich war recht glücklich, als ich mich
aus dem aktiven Lehramt zurückziehen konnte.«
    »Wie lange ist das her?«
    »Fünf Jahre. Aber nicht, daß Sie
glauben, ich hätte mich auch geistig zurückgezogen. Es mag für Sie so aussehen,
als wäre ich nur einer dieser exzentrischen alten Männer, die in der Sonne
herumsitzen. In Wirklichkeit führe ich Untersuchungen für meine letzte große
Arbeit durch — eine Analyse der Ursachen für den Niedergang dieses Hafens.«
    »Darauf bin ich gespannt.«
    »Hoffentlich nicht mit angehaltenem
Atem.« Er zwinkerte mir zu. »Ich gehe auf die Achtundsiebzig zu, und das
Forschen macht mir viel mehr Spaß als das Schreiben.«
    Ich lächelte, und für eine Weile
schauten wir einem Fischer zu, der mit einem schweren Kübel das Dock entlang
wankte. Dann sagte ich: »Es sind Ihre Fachkenntnisse über See und Fischfang,
die ich ansprechen möchte. Was können Sie mir über den Eigner einer
Thunfischflotte namens Gilbert Fontes sagen?«
    Haslett schürzte die Lippen — eher
kampflustig als nachdenklich.
    »Fontes ist ein gutes Beispiel für die
Kräfte, die unseren Hafen zerstört haben. Die Corona Fleet war einst die größte
Thunfischflotte in unserem Hafen. Fontes hat sie zweiundsiebzig gekauft. Als
erstes ließ er die Schiffe in Mexiko registrieren, um so die US-Kontrollen zur
Einhaltung des neuen Gesetzes zum Schutz der Meeressäugetiere zu umgehen. Als
hiesige Umweltschützer herausbekamen, daß... Ich nehme an, Sie sind
Umweltschützerin? Haben wir uns an Weihnachten nicht über diese schrecklichen
Dinge unterhalten, mit denen Sie am Tufa Lake zu tun hatten?«
    Ich nickte. »Ich gehöre zwar keiner
Organisation an, aber ich unterstütze ihre Ziele, wann immer ich kann. Mit
Organisationen selbst komme ich nicht besonders gut zurecht.«
    »Auch ich bin kein besonderer Freund
davon. Um auf Fontes zurückzukommen, Mitte der siebziger Jahre haben hiesige
Umweltschützer mit Protestdemonstrationen vor seinem Haus in Point Loma
angefangen. Die Situation geriet außer Kontrolle. Fontes hatte... wie soll

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