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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Straßenseite befand sich ein Café. Ich lief hinüber und rief von einem
Münztelefon aus die Rezeption meines Motels an. »Bungalow sieben, bitte«, sagte
ich zur Rezeptionistin.
    »Einen Moment.« Sie stellte die
Verbindung her und ließ es ein paarmal läuten. »Tut mir leid, sie meldet sich
nicht.«
    »Könnten Sie wohl nachschauen? Als wir
uns nach dem Lunch trennten, fühlte sie sich gar nicht wohl, und deswegen mache
ich mir jetzt Sorgen.« Die Frau zögerte, und so setzte ich hinzu: »Bitte! Sie
ist Diabetikerin.«
    »In Ordnung, bleiben Sie einen
Augenblick dran.« Sie seufzte und legte den Hörer mit einem Knall auf den
Tisch.
    Ich hängte ein und rannte aus dem Café
und über die Straße. Als ich um die Ecke zum Motel kam, war die Empfangsdame
auf dem Weg zu meinem Bungalow. Ich hockte mich wieder hinter einen
Kamelienstrauch und sah, wie sie zur Tür ging. Renshaw trat unter dem Baum
hervor und sprach sie an. Sie zeigte auf die Tür und erklärte etwas. Dann
schloß sie auf und ging hinein. Wie ich gehofft hatte, folgte Renshaw ihr.
    Den Schlüssel in der Hand, rannte ich
zum Toyota. Ich sprang hinein und steckte den Schlüssel in die Zündung. Der
Motor sprang an, ich wendete und fuhr unter dem wütenden Piepen des Warnsignals
für den Sicherheitsgurt vom Parkplatz. Während ich davonraste, überlegte ich,
ob Renshaw in meinem Zimmer einen Hinweis auf die Spur finden konnte, die ich
verfolgte. Der Zettel mit den Namen, die ich am Abend zuvor hingekritzelt
hatte? Nein, das Mädchen hatte das Zimmer in meiner Abwesenheit saubergemacht,
und ich hatte gesehen, daß der Papierkorb leer gewesen war. W. C.? Die Quittung
hatte ich in meiner Brieftasche.
    Ich lächelte und versuchte mir
vorzustellen, was Renshaw wohl mit meinem mürrischen alten Papagei anfing.
     
    Jetzt mußte ich eine Besorgung machen
und ein Telefongespräch führen. Als erstes hielt ich bei Gooden’s Photographie
Supply an der University Avenue im Stadtteil Hillcrest an, dem bevorzugten
Wohngebiet der Homosexuellen. Gooden’s gab es schon seit den zwanziger Jahren.
Damals war Hillcrest ein exklusiver Vorort, den eine Straßenbahn mit der
Innenstadt verband. Dank dem Pionier William Wesley Whitsun und seinem Konzept
»geschlossener« Wohngebiete war es ein Stadtteil mit rein weißer Bevölkerung.
Ich habe mich oft gefragt, was dieser intolerante alte Knabe wohl von den
Lesbierinnen und Schwulen gehalten hätte, die inzwischen all die von ihm
erbauten hübschen Cottages renoviert hatten. Angesichts der schicken Boutiquen
und Restaurants, die viele alteingesessene Ladeninhaber vertrieben hatten,
mußte man sich allerdings auch fragen, wie Gooden’s es geschafft hatte zu
überleben. Doch an diesem Nachmittag fand ein Räumungsverkauf in dem
altmodischen Haus statt. Nur einen halben Block war es von hier bis zu dem
großen Bogen, der den Eingang zum Einkaufsviertel von Hillcrest an der Kreuzung
von Fifth und University Avenue markiert.
    Von innen sah der Laden aus, wie ich
ihn in Erinnerung hatte: ein Traum für jeden Fotografen. In zahllosen Vitrinen
fand sich das vielseitigste Angebot an Kameras, Objektiven, Zubehör und
Dunkelkammerausrüstung, das ich je gesehen habe. In früheren Zeiten hatte ich
mich eine Zeitlang für eine vielversprechende Profifotografin gehalten. Dann
jedoch mußte ich entdecken, daß mir sowohl das Auge als auch die Originalität
völlig fehlten, wenn es darum ging, Aufnahmen zu machen. Bis dahin hatte ich
bei jedem Besuch daheim ein Gutteil meiner Zeit bei Gooden’s verbracht und in
Gedanken Einkaufslisten zusammengestellt. Jetzt fiel mir auch sofort die Stelle
ein, an der die Teleobjektive ausgestellt waren, und ich ging direkt darauf zu.
    Ich brauchte an die zwanzig Minuten, bis
ich das Objektiv gefunden hatte, das meinen Zwecken am besten diente — ein
Meade 1000 mit großer Brennweite und dreiundachtzigfacher Vergrößerung. Es war
leicht transportabel und würde gut auflösende Bilder liefern, selbst bei
schwachem Licht. Aber wahrscheinlich mußte ich gar nicht viele Aufnahmen
machen. Ich benötigte das Teleobjektiv eher zum Beobachten, aber auf einer
Kamera würde es mir das typische Aussehen einer überausgestatteten Touristin
verleihen. Der junge Verkäufer mit dem Neonazi-Haarschnitt hielt mich
anscheinend für eine ahnungslose, aber wohlhabende Kundin und glaubte, leichtes
Spiel mit mir zu haben. Enthusiastisch meinte er: »Mit dem Objektiv, Ma’am,
können Sie auf zweihundert Meter die

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