Wölfe und Kojoten
Ensenada zu nehmen und dann die alte Mexico 1, die seit Anfang
der siebziger Jahre als Highway Tijuana mit La Paz verbindet und das Gesicht
von Baja California für immer verändert hat.
Die 800 Meilen lange Halbinsel ist ein
rauhes, dürres Land, von kahlen Bergen durchzogen und vom Mutterland durch das
Mar de Cortés getrennt. Die Wüstenregion hat sich in den letzten hundert Jahren
nicht verändert: Kakteen, so weit das Auge reicht, und ärmliche Ranches, die
oft schon vor langer Zeit verlassen worden waren. Doch mit dem Bau des Highway
entdeckten amerikanische Touristen die malerischen Pazifikstrände von Baja und
die ruhigen Häfen und Dörfer am Mar de Cortés. Die wenigen Städte der Halbinsel
haben in den neunziger Jahren durch den internationalen Handel einen Aufschwung
erfahren.
Ich stoppte kurz an einer
Pemex-Station, um mir eine Karte zu kaufen. Auf der raschen Fahrt durch
Tijuanas Calle Internacional zur ersten Mautstation konnte ich eine Reihe von
Veränderungen feststellen. Zwar gab es noch immer die Slums und Hütten am Rand
der Grenzstadt und auch die grellbunten Souvenirläden, Schnapshöhlen und
Sex-Fallen. Doch die verspiegelten Wolkenkratzer am Horizont verliehen der City
ein neues Flair. Weiter südlich säumten dann die unvermeidlichen Reklamewände,
Wohnwagenstellplätze, Wohnanlagen und Hotels die Küste und zerstörten die
Schönheit von Steilküstenbereichen, die zu den atemberaubendsten südlich von
Big Sur gehören. Rosarito hatte ich als ruhiges Fischerdorf in Erinnerung. Als
mich jetzt ein paar todschicke Urlaubshotels begrüßten, wurde mir klar, daß das
Baja, das ich als Kind geliebt hatte, dabei war, für immer zu verschwinden.
Die trockene Hitze hatte mich von San
Diego her verfolgt und selbst entlang der Küste nicht nachgelassen. Nichts
konnte ihre Macht auf dem Weg von der staubigen Wüste zum Meer mildern. Bis
Ensenada brauchte ich ungefähr eineinviertel Stunden. Zunächst hatte ich den
Eindruck, die Kommerzialisierung habe ihren Arm noch nicht bis hierher
ausgestreckt. Fischerboote, zum Teil mit dem Emblem von Gilbert Fontes’ Corona
Fleet, dümpelten im Hafen, und hier und da zog ein Eselskarren durch die
Straßen. Doch dann entdeckte ich ein Schild, das auf englisch Ensenada als den
Geburtsort des mexikanischen Weinbaus bezeichnete und zu Besichtigungen und
Weinproben einlud. Moderne Hotels, Restaurants und Cantinas säumten die breite
Uferstraße. So schnell ich konnte, ergriff ich die Flucht in Richtung alter Highway.
Nach etwa einer halben Stunde stieß ich
auf eine Straße, die nach El Sueño führen konnte. Ich hielt an, konsultierte
die Straßenkarte und bog nach Punta Arrejaque ab, einer Landzunge, die in
nordwestlicher Richtung in den Pazifik hinausragt. Die Straße war neu und
frisch asphaltiert. Sie verlief parallel zu einem von Gestrüpp überwucherten
Flußbett. Vielleicht war dort unten eine alte Straße verlaufen:
Jahrhundertelang hatten die Mündungen ausgetrockneter Flußbette den
Fischerdörfern als Transportweg gedient.
Nach einigen Kilometern fiel mir auf,
daß das Wetter umgeschlagen war. Am Horizont über der schiefergrauen See
standen nun Nachmittagswolken, und die Luft hatte sich leicht abgekühlt. Die
Straße wand sich an windschiefen Verkaufsständen vorbei, die lokale Erzeugnisse
wie Krüge voller Oliven und Chilischoten anboten. Hinter einem Campingplatz und
einem Aussichtspunkt folgte ein Flugfeld, auf dem kleine Maschinen festgezurrt
waren. Von einer Anhöhe aus erblickte ich über das sanft hügelige Gelände verstreute
Häuser. Die einen waren traditionell weiß verputzt und hatten rote
Ziegeldächer, die anderen modern und fremdartig. Pelikane zogen ihre Kreise
über der See, während ich über die Uferstraße das kleine Geschäftsviertel von
El Sueño — Der Traum — erreichte.
Der Ort hatte tatsächlich etwas
Traumhaftes: nagelneue Häuser, in der Luft hing der Duft von in Öl Gebratenem
und Gewürzen, und eine angenehme Brise strich mir über die nackten Arme. Die
kleinen Straßen waren eng, aber frisch asphaltiert wie die Zufahrtstraße, am
Straßenrand parkten kostspielige Wagen. Auch die Läden mußten teuer sein: ein
Juwelier, ein Sportgeschäft, ein Florist, ein Weinhändler und eine Reihe von
Galerien. Die Praxen von Anwälten, Ärzten und Zahnärzten bildeten einen eigenen
kleinen Komplex. Vom Monitor der Filiale einer amerikanischen Börsenmaklerfirma
flimmerte der neueste Dow-Jones-Index. Fußgänger flanierten von einem
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