Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
Geschäft
zum anderen und blieben vor Obst- und Gemüseständen stehen, in denen sich
Maiskolben, Tomaten, Salat und Chili türmten. Gut gekleidete Amerikaner,
zumeist im Golf- oder Tennis-Dress. Niemand hatte es eilig. Niemand schien
Sorgen zu haben. Irgendwie machte mich die Stadt kribbelig. Ich mochte sie und
mochte sie auch nicht. Es fehlten die Ecken und Kanten, die Atmosphäre war
allzu künstlich. Ich fühlte mich in die Kulisse einer Salonkomödie versetzt,
die mit den vielfach harten Lebensbedingungen in Baja California weniger als
nichts zu tun hatte.
    Nachdem ich eine Parklücke gefunden
hatte, betrat ich einen Lebensmittelladen, der vor allem Importweine und
Feinschmeckerartikel führte. Die Mexikanerin hinter der Theke, die ich nach dem
Weg zur Via Pacífica fragte, sprach ein besseres Englisch als manche Mitglieder
meiner eigenen Familie. Sie zögerte, dann zuckte sie mit den Schultern und
zeigte mir auf einer kleinen Karte eine gewundene Straße, die am Ortsende von
der Hauptstadt abzweigte. »Eine besonders feine Gegend mit großen Villen.
Betreten verboten.« Dabei warf sie einen kritischen Blick auf meine zerknitterte
Kleidung. Eigentlich hatte ich vorgehabt, eine Flasche Mineralwasser zu kaufen,
doch für diesen Blick wollte ich mich revanchieren. Also ging ich weiter. An
einem Obststand verlockten mich die Scheiben einer Kantalupmelone. Wie in den
Geschäften von Tijuana waren auch hier US-Dollars durchaus willkommen.
    Nach der Straßenkarte, die mir die Frau
gezeigt hatte, zweigte die Via Pacífica von der Hauptstraße zum Meer hin ab und
mündete am Ende der Landzunge wieder in sie ein. Zwei steinerne Pfosten
markierten die Abzweigung. Allerdings entdeckte ich weder ein Wachhäuschen noch
ein Tor. Ich folgte der geteerten Straße an Yuccapalmen und stacheligen Säulen-
und Kugelkakteen vorbei. Mit der Brise wehte der strenge, fast ein wenig
unangenehme Geruch von Lobelien herüber. Die ersten Häuser unterschiedlichster
Stilarten tauchten auf: Bauten im Pueblostil aus grob behauenem Holz mit
Sonnenkollektoren auf dem Dach, Konstruktionen aus Stahl und Glas, die an das
Raumschiff Enterprise erinnerten, traditionelle Strandhäuser aus verwittertem
Holz, wie man sie entlang der ganzen Pazifikküste findet, und so etwas wie eine
Kreuzung aus Azteken-Pyramide und bombensicherem Bunker. Sie alle drängten sich
rechts der Straße auf einer kleinen Anhöhe über dem weißen Sandstrand zusammen.
Die Sonne senkte sich jetzt zum Meer. Ein paar Strahlen drangen noch durch die
hoch aufgetürmten Wolken. Fontes’ Villa, Nummer 117, wirkte von außen relativ
konservativ. Sie war langgestreckt und weitläufig, braun verputzt und hatte ein
mattblaues Ziegeldach. Am einen Ende erhob sich ein zweistöckiger Flügel, der
einem Glockenturm ähnelte, am anderen ein einstöckiger Trakt. Beide waren durch
einen ebenerdigen Mittelteil miteinander verbunden. Im Gegensatz zu den meisten
Nachbarhäusern umgab diese Villa eine hohe verputzte Mauer, in deren Krone
Glasscherben einzementiert waren. Die Gitter vor den Fenstern in den oberen
Stockwerken paßten sich so gut wie möglich der Architektur an. Ein
sicherheitsbewußter Mann, dieser Gilbert Fontes.
    Dennoch stand das Einfahrtstor offen.
Ich fuhr langsam vorbei und sah hindurch. Den Vorhof schmückten ein Brunnen und
ein kunstvoll angelegter Kakteengarten, der vom Halbkreis der Auffahrt aus
Muschelkies begrenzt war. Vor einer freistehenden Garage auf der linken Seite
parkte ein brauner Volvo mit vertraut kalifornischem Kennzeichen.
    Ein paar Meter weiter wendete ich und
fuhr zurück zu einem Strandzugang, der mir zuvor aufgefallen war. Hier parkte
eine Reihe von Fahrzeugen — nicht die gepflegten Luxuskarossen der
wohlhabenderen Bewohner El Sueños, sondern alte verrostete Limousinen. Eine
davon war zum Teil schon ausgeschlachtet worden. Ich stellte meinen Tercel
daneben ab und holte die Fotoausrüstung aus dem Kofferraum. Nach ungefähr einer
Viertelstunde hatte ich sie zusammengebaut und mich mit ihr vertraut gemacht.
Dann zog ich meine Jacke an, streifte die Schuhe ab und steckte sie zur .45er
meines Vaters in die große Umhängetasche. Die Tasche über der einen, die Kamera
über der anderen Schulter, machte ich mich auf den Weg zum Strand. Der Sand war
pulverfein und ganz sauber. Es waren nur wenige Spaziergänger unterwegs, und
ein paar Männer angelten in der Brandung. Eine junge Mutter sah ihren beiden
Kindern zu, wie sie unempfindlich gegen die abgekühlte

Weitere Kostenlose Bücher