Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11

zwei weitere der gleichen Machart. In der Nähe sah ich einen mit Gas betriebenen Grill und einen zusammengerollten Gartenschlauch, derart verknickt und verdreht, dass er unbrauchbar war.
    Hier hinten dröhnte die Musik noch lauter.
    Eine überdachte Glasschiebetür stand einen Spaltbreit offen.
    Ich ging hin und schaute in den Raum. Offensichtlich das Wohnzimmer. Eine gut sortierte Bar, Kneipenspiegel mit Biersortenemblemen, hängende Gläser, große Plastikaschenbecher. Alle Lichter aus, bis auf grüne Zahlen, die auf einem schwarzen Gesicht tanzten. Eine riesige Stereoanlage. Der CD-Player lief. Die Musik so laut wie ein Pressluftbohrer.
    Ich versuchte, nicht darauf zu achten, legte die Hand an die Scheibe und spähte angestrengt hinein. In einer Ecke befand sich die Anzeige für die Alarmanlage. Das grüne Lämpchen ließ erkennen, dass sie ausgeschaltet war.
    Der graue Teppich war schmutzig. Schwarze Ledercouch, schwarzlackierte Tische, die Plastikfigur einer nackten Frau, die sich unterwürfig verneigt. Eine Wand wurde von einer riesigen chromgerahmten Lithographie eingenommen, die eine prallbusige, stark geschminkte Frau in hautenger Lederhose darstellte. Eine Motorradkappe war tief über das eine Auge gezogen. Das andere blinzelte. An der gegenüberliegenden Wand befand sich ein aus grauem Granitstein gehauener Kamin mit gezackten Kanten. Keine Holzscheite darin. Schwarze Sitzsäcke. Auf einem eine einsame CD-Hülle.
    Schlagzeugrhythmus wie bei einer Panikattacke, gequälte
Bässe, schrill aufheulende Gitarren. Nervenzerfetzender Gesang, immer und immer wieder.
    Kein Locking.
    Ich schob die Tür ein Stückchen weiter auf, steckte den Kopf hinein. »Hallo!«
    Zigaretten, Kippen und Asche auf dem Teppich. Auf einem der Tische einige Zeitschriftenstapel.
    Ich machte ein paar Schritte in den Raum, rief wieder: »Hallo?«
    Die Zeitschriften waren teilweise psychologische Fachblätter, die ich erkannte, und andere, für die man nicht promoviert sein musste, um zu wissen, worum es ging.
    Vielfarbige Coverseiten: Brustwarzenrosa, Lippenrot, Wasserstoffblond, Schamhaarschwarz. Der Austernglanz von frischem Ejakulat.
    »Die Zeitschrift der therapeutischen Praxis« - und daneben so was.
    War das Lockings Vorstellung von zu Hause arbeiten?
    Auf einem anderen Tisch standen eine geöffnete Cola-Dose, eine fast leere Flasche Bacardi und ein Glas mit einer leicht bernsteinfarbenen Flüssigkeit. Die Eiswürfel waren sicher geschmolzen, der Drink schon vor Stunden gemixt worden.
    Nur ein Glas. Eine Einmann-Party.
    Vielleicht hatte Locking sich mit Cola-Rum einen derartigen Vollrausch angetrunken, dass er den Krach nicht mehr hörte.
    Ich rief noch einmal.
    Keine Antwort.
    Das Zimmer stank nach Nikotin und einer langen Beziehung zu Fastfood. Die großen schwarzen Aschenbecher auf der Bar quollen über. Auf einem davon sah ich das Logo des Casinos in Vegas, in dem Ted Barnaby gearbeitet hatte.

    Die CD auf dem Sitzsack war von einer Band namens Sepultura.
    Das spanische Wort für »Grab«.
    Ich schaltete die Musik aus.
    Stille. Kein Protest erhob sich.
    »Hallo?«
    Nichts.
    Nicht der rechte Moment, um weiter herumzuschnüffeln. Die Hälfte der Leute in Los Angeles besitzen Pistolen, und Lockings Verbindung zu Cruvic sowie sein Macho-Image ließen vermuten, dass er zu ihnen zählte. Falls er bei diesem Radau hatte schlafen können, wäre es gefährlich, ihn zu wecken. Schließlich hatte ich Hausfriedensbruch begangen.
    Ich wandte mich zum Gehen, doch dabei fiel mir etwas unter einem der Aschenbecher auf.
    Ein Polaroidfoto. Eine Ecke festgeklebt.
    Exakt bündig mit dem Rand der Bar.
    Arrangiert.
    Wie ausgestellt.
    Das Foto einer Frau.
    Nackter Oberkörper, die Arme über den Kopf gestreckt, mit den Handgelenken an das hölzerne Kopfende eines Bettes gefesselt. Ihre relativ kleinen Brüste wurden durch den Druck nach oben gezogen, und die blasse Haut wurde über dem zarten Brustkorb gedehnt. Angespannte Armmuskulatur, Gänsehaut.
    Ihr Gesicht wurde von einer schwarzen Ledermaske mit zahlreichen Reißverschlüssen verdeckt.
    Zwei offene Reißverschlüsse im Nasenbereich, einer geschlossen über dem Mund.
    Auch die Schlitze für die Augen waren offen.
    Zwei schimmernde braune Scheiben leuchteten daraus hervor.

    Weiter unten, aufgerichtete Brustwarzen, die von zwei Händen gekniffen wurden.
    Männerhände.
    Die Hände von zwei verschiedenen Männern.
    Die Hand links war behaart und gehörte zu einem nackten Arm.
    Mitten auf dem