Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11

Titel: Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
schließlich war ich alleine da unten. Seitdem hat er mir irgendwie immer Angst gemacht - das Leder, sein ganzes Verhalten. Haben Sie den Ring gesehen, den er trägt?«
    »Den Totenschädel.«
    »Geschmacklos«, sagte sie. »Und pubertär. Einmal hat er gesehen, wie ich den Ring angeguckt habe, und gesagt, das wäre ein Geschenk von Hope. Was ich mir eigentlich nicht vorstellen kann.«
    »Warum nicht?«
    »Sie war der gute Geschmack in Person. Er wollte mich bloß auf den Arm nehmen - jedenfalls hat mich das eine ganze Weile verfolgt. Die Sache mit der Ratte. Ich habe lange
darüber nachgedacht, ob ich es melden sollte - es gibt Vorschriften über den verantwortungsvollen Umgang mit Versuchstieren. Aber Hope war seine Vorgesetzte, und ich wusste, sie mochte ihn, und … ich weiß, das klingt nach kindischem Geschwisterneid, aber er war ganz offensichtlich das Lieblingskind. Wie hätte sie also reagiert, wenn ich ihm Schwierigkeiten gemacht hätte? Ich weiß, das war feige, aber ich habe nur das Ziel, meine Promotion abzuschließen, eine gute Arbeit zu finden und meiner Tochter ein schönes Zuhause zu bieten. Professor Devane hat mich in Ruhe gelassen, und ich habe mich angepasst.«
    »Würden Sie sagen, sie hat Sie vernachlässigt?«
    »Ehrlich? Nun gut, es hat Zeiten gegeben, da hätte ich sie gebraucht, aber sie war für mich nicht erreichbar. Manchmal hat mich das aufgehalten. Meine Zeit war so knapp, und jede Verzögerung war ein Rückschlag. Einmal habe ich sogar versucht, mit ihr darüber zu reden. Sie reagierte freundlich, aber im Grunde desinteressiert, und ich habe es nie wieder zur Sprache gebracht. Ich wollte meine Arbeit bei ihr schreiben, weil sie eine feministische Position vertrat. In meiner Arbeit beschäftige ich mich mit interkulturellen Aspekten von Geschlechterrollen und Kindererziehung. Ich dachte, das Thema würde sie begeistern, aber eigentlich hat es sie überhaupt nicht interessiert.«
    »Und bei Casey lagen die Dinge anders.«
    »Ganz anders. Irgendwie hatte sie immer Zeit für ihn. Verstehen Sie mich nicht falsch, wenn wir wirklich mal miteinander geredet haben, war sie toll - unglaublich intelligent und sehr positiv. Und sie hat mir das Stipendium verschafft. Aber es war immer schwer, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen, und nachdem ihr Buch erschienen war, wurde es vollends unmöglich. Als ich nach England abgereist bin, fühlte ich mich mittlerweile wie ein Waisenkind.«

    »Woher wissen Sie, dass sie für Casey mehr Zeit hatte?«
    »Weil ich die beiden oft zusammen gesehen habe und weil er es mich bei jeder Gelegenheit wissen ließ. ›Hope und ich waren essen. Neulich war ich bei Hope zu Hause‹, beinahe hämisch - Himmel, das klingt wirklich ganz wie alberner Geschwisterneid, was?«
    »Das ist unter Doktoranden gar nicht so selten.«
    »Wahrscheinlich haben Sie recht. Sie hat ihn sogar mit zu ihren Fernsehauftritten genommen. Er erzählte mir, er hätte in der Garderobe auf sie gewartet und irgendwelche Berühmtheiten kennengelernt. Aber natürlich stand es allein in ihrem Ermessen, mit wem sie arbeiten wollte.«
    »Wenn ich das so höre«, sagte ich, »die Sache mit der Ratte, seine Häme, kommt es mir vor, als würde er sich auf unangenehme Weise mit dem Phänomen Kontrolle auseinandersetzen.«
    »Ja. Ich halte ihn ganz eindeutig für dominant. Er ist ein Mensch, der sich auf keine Situation einlässt, die er nicht kontrollieren kann. Aber er ist intelligent. Sehr intelligent.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Er hat sein gesamtes Studium mit Bravour absolviert. Jemand hat mir mal erzählt, er hätte in Berkeley das beste Examen gemacht.«
    »Aber kein Interesse an therapeutischer Arbeit.«
    »Mehr noch. Er hat sich immer abfällig über die therapeutische Arbeit ausgelassen. Seiner Ansicht nach ist Psychologie reine Augenwischerei, weil sie keine solide wissenschaftliche Grundlage hat, um den Menschen zu helfen. Mit dieser Sichtweise kommt er bei ein paar von den hohen Tieren in der Fakultät gut an, also wird er es vermutlich einmal bis zum Lehrstuhlinhaber bringen. Ach was, bei seinem Verstand und seiner Dominanzfixierung bringt er es vermutlich noch bis zum Dekan.«

    »Ein Dekan in schwarzem Leder?«
    »Das ist bestimmt nur eine Phase«, sagte sie. »Vielleicht trägt er im nächsten Jahr Tweedjacken mit Lederaufsätzen an den Ellbogen.«
     
    Ich saß in der Küche und dachte über die gequälte Ratte zwischen Lockings Fingern nach. Der Junge mit dem Totenschädelring.
    Hopes

Weitere Kostenlose Bücher