Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11
gut wie nicht. Dr. Delaware, Sie haben doch selbst promoviert und wissen, wie viel Arbeit das ist. Ich habe eine Tochter und hatte zusätzlich noch einen Job. Also war meine Zeit äußerst knapp bemessen.«
»Wie alt ist Ihre Tochter.«
»Drei. Ich habe sie gerade in die Kindertagesstätte gebracht. Hier kümmert man sich großartig um die Kinder.«
»Besser als in Los Angeles?«
»Meiner Erfahrung nach, ja. Ich wollte meine Kleine nicht
einfach bloß irgendwo in Verwahrung geben, sondern ich wollte sie in jeder Beziehung gut versorgt wissen. Jedenfalls, ich litt unter Zeitmangel und musste fertig werden. Deshalb hatte ich nicht viel Zeit, Casey oder sonst jemanden besser kennenzulernen.«
»Hatten Sie nie mit ihm zu tun?«
»Ganz selten. Er - unsere Schwerpunkte waren völlig unterschiedlich.«
»In welcher Weise?«
»Ich interessiere mich für therapeutische Arbeit. Er dagegen überhaupt nicht.«
»Reine Forschung?«
»Vermutlich.«
»Er ist ein wenig seltsam«, sagte ich.
»Wie meinen Sie das?«
»Das schwarze Leder.«
»Ja«, sagte sie. »Er möchte sich ein bestimmtes Image geben.«
»Dann hatten Sie beide also wenig miteinander zu tun, obwohl Sie die einzigen Doktoranden von Professor Devane waren.«
»Stimmt.«
»Wissen Sie etwas über seine Forschung?«
»Es geht irgendwie um Selbstkontrolle. Tierversuche, glaube ich.«
»Hat Professor Devane ihm auch freie Hand gelassen?«
»Na ja«, sagte sie, »die beiden haben gemeinsam veröffentlicht, also werden sie wohl zusammengearbeitet haben.Warum? Ist Casey … irgendwie in den Fall involviert?«
»Würde Sie das überraschen?«
»Natürlich würde es das. Schon der Gedanke, dass irgendjemand, den ich kenne, so etwas tun würde, ist überraschend. Dr. Delaware, ich muss sagen, ich fühle mich bei
diesem Gespräch nicht wohl. Ich kann ja noch nicht mal sicher sein, dass Sie tatsächlich der sind, der Sie zu sein behaupten.«
»Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen die Nummer des Detectives geben, der den Fall bearbeitet.«
»Nein, nein, ich glaube Ihnen. Außerdem kann ich ohnehin nicht mehr dazu sagen.«
»Aber als wir über Casey gesprochen haben, war Ihnen nicht wohl zumute.«
Sie lachte auf: »Das klingt wie der Kommentar eines Therapeuten, Dr. Delaware.«
»Und, ist der Kommentar richtig?«
»Mir ist nie wohl zumute, wenn ich über jemand anderen spreche. Ich mag keinen Klatsch.«
»Dann hat es also nicht speziell mit Casey zu tun?«
»Er - ich habe einen bestimmten Eindruck von ihm, aber das ist doch wohl irrelevant.«
»Mögen Sie ihn nicht?«
»Ich möchte nicht darüber sprechen», sagte sie etwas lauter.
»Ms. Gonsalvez«, entgegnete ich, »Professor Devane wurde äußerst brutal ermordet. Es gibt bislang keinerlei Spuren, und kein Mensch kann wissen, was irrelevant ist und was nicht.«
»Dann steht Casey also doch unter Verdacht?«
»Nein. Nicht offiziell. Aber falls es irgendetwas gibt, was Sie an ihm auffällig fanden, dann möchte ich es gern wissen. Oder wäre es Ihnen lieber, wenn Detective Sturgis Sie anruft.«
»Meine Güte«, sagte sie. »Meine Güte... ich möchte um Himmels willen nicht, dass Casey davon erfährt. Er ist - ich habe keine Angst vor ihm, aber er ist jemand, den ich lieber nicht zum Feind haben möchte.«
»Haben Sie gesehen, wie er sich seinen Feinden gegenüber verhält?«
»Nein, aber er ist - ich habe gesehen, wie er forscht. Ich war vorhin nicht ganz ehrlich, als ich gesagt habe, ich glaube, er macht Tierversuche. Ich weiß es. Einmal bin ich nämlich abends noch unten im Keller gewesen und an seinem Labor vorbeigekommen. Ich sollte ein paar Arbeiten nachsehen, die ich aus dem Labor von Professor Devane holen musste. Plötzlich habe ich Musik gehört - Heavy Metal Rock -, und aus einer Tür, die etwas offen stand, fiel Licht. Ich habe reingespäht und Casey gesehen. Er stand mit dem Rücken zu mir. Er hatte Käfige mit Ratten drin, Labyrinthe, alle möglichen Instrumente für psycho-physiologische Tests. Die Musik war sehr laut, und er hat mich nicht gehört. Er hielt eine Ratte in der Hand - zwischen den Fingern. Hat ihren Hals zusammengedrückt. Das arme Tier hat gezappelt und gequiekt, Casey tat ihm ganz offensichtlich weh. Dann hat er angefangen zu tanzen. Zu der Musik - er hat getanzt und dabei die Ratte gequält. Der Schwanz war - es war ein entsetzlicher Anblick. Ich wollte reinstürzen und ihm sagen, er soll damit aufhören, aber ich habe es nicht getan. Ich hatte zuviel Angst,
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