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Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11

Titel: Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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tatsächlich damit angefangen hat.«
    »Wann sind Sie mit eingestiegen?«, fragte Milo, nahm eines der Polaroidfotos auf dem Tisch in die Hand und bog eine Ecke mit dem Zeigefinger nach oben.
    Seacrest wandte sich ab. Vor wenigen Augenblicken hatte er sein graues Jackett ausziehen und den Ärmel des weißen Hemdes hochkrempeln müssen, so dass der tätowierte Anker sichtbar wurde. Jetzt war er wieder voll angezogen, das Jackett zugeknöpft.
    Er zupfte an seinem ungepflegten Bart herum. Seine erste Reaktion, als man ihm die Fotos vorlegte, war reiner Schock gewesen. Gefolgt von triefäugiger Resignation, die
wiederum verbitterter Entschlossenheit gewichen war. Er war nicht festgenommen worden, obwohl Milo ihm angeboten hatte, für das Verhör einen Anwalt hinzuzuziehen. Seacrest hatte barsch abgelehnt, als wäre schon das Angebot eine Beleidigung. Im weiteren Verlauf der Befragung war es ihm dann gelungen, echte Empörung aufzubauen.
    »Wann sind Sie mit eingestiegen, Professor?«
    »Später.«
    »Wie viel später?«
    »Wie soll ich das genau sagen können, Mr. Sturgis?Wie ich schon sagte, ich habe keine Ahnung, wann die beiden damit angefangen haben.«
    »Und wann haben Sie das erste Mal mitgemacht?«
    »Vor einem Jahr, anderthalb Jahren.«
    »Und Locking hat über drei Jahre bei Ihrer Frau studiert?«
    »Ich denke, ja.«
    »Dann könnte das also schon zwei Jahre lang so gegangen sein, bevor Sie dazukamen?«
    »Das«, sagte Seacrest, säuerlich lächelnd. »Ja, das könnte schon so lange gegangen sein.«
    »Also, was ist passiert?«, fragte Milo. »Sind die beiden einfach eines schönen Tages hereinspaziert und haben gesagt: ›He, stell dir vor, wir spielen jetzt immer so schöne Sadomaso-Spielchen. Hast du keine Lust mitzumachen?‹«
    Seacrest lief rot an, aber es gelang ihm, seine Stimme ruhig zu halten. »Sie würden das ohnehin nicht verstehen.«
    »Geben Sie mir eine Chance.«
    Seacrest schüttelte den Kopf und drehte ihn dann von rechts nach links, um seine Nackenmuskeln zu lockern. Das Lächeln war noch nicht ganz verschwunden.
    »Amüsiert Sie etwas, Professor?«
    »Mich hierherzubringen ist pervers. Meine Frau wurde
ermordet, und Sie verschwenden Ihre Zeit mit solchen Sachen.«
    Plötzlich beugte Milo sich vor und starrte Seacrest in die Augen. Der Professor zuckte zusammen, aber er gewann seine Fassung wieder und starrte zurück. »Pervers, banal und irrelevant.«
    »Klären Sie mich auf, Professor.Wie kam es, dass Sie mitgemacht haben?«
    »Ich - Sie haben recht damit, es war ein Spiel. Genau das war es. Bloß ein Spiel. Ich erwarte von Ihnen ja kein Verständnis für... Abweichungen von der Norm, aber mehr war es nicht.«
    Milo lächelte. »Abweichung von der Norm?«
    Seacrest antwortete nicht.
    »Die beiden haben Sie also aufgefordert, mit ihnen gemeinsam abzuweichen?«
    »Nein. Sie - ich habe sie zufällig überrascht. Eines Nachmittags, als ich eigentlich eine Vorlesung gehabt hätte. Ich fühlte mich nicht wohl, ließ die Vorlesung ausfallen und fuhr nach Hause.«
    »Und da haben Sie die beiden erwischt?«
    »Ja, Mr. Sturgis.«
    »Wo?«
    »In unserem Bett.« Seacrest lächelte. »Dem Ehebett.«
    »Muss ein großer Schock gewesen sein.«
    »Gelinde gesagt.«
    »Was haben Sie gemacht?«
    Seacrest wartete lange, bevor er antwortete. »Nichts.«
    »Nichts?«
    »Jawohl, Mr. Sturgis. Nichts.«
    »Sind Sie nicht wütend geworden?«
    »Sie haben nicht danach gefragt, wie ich mich gefühlt habe, Sie haben gefragt, was ich getan habe. Und die Antwort
lautet: nichts. Ich habe mich umgedreht und bin gegangen.«
    »Wie haben Sie sich gefühlt?«
    Wieder langes Schweigen. »Das kann ich wirklich nicht sagen. Wut wäre zwecklos gewesen.«
    »Warum?«
    »Hope konnte mit Wut nicht gut umgehen.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Sie konnte sie nicht ertragen. Wenn ich wütend reagiert hätte, wäre das Ganze in eine Konfrontation ausgeartet.«
    »Eheleute streiten sich nun mal, Professor. Und ich finde, Sie hatten einen verdammt guten Grund dafür.«
    »Wie verständnisvoll von Ihnen, Mr. Sturgis. Aber Hope und ich haben uns nie gestritten. Keiner von uns beiden war der Typ dazu.«
    »Und was meinen Sie dann mit Konfrontation?«
    »Krieg. Kalter Krieg. Endlos, stumm, endloses Schweigen. Innere Emigration. Selbst wenn Hope behauptete, sie habe einem vergeben, vergab sie in Wirklichkeit nie. Ich kannte ihr emotionales Repertoire wie ein Dirigent seine Partitur. Und deshalb habe ich, als ich die beiden zusammen sah, Haltung

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