Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11
aufmerksam gemacht.
Danach hatte der Mörder angefangen, Cruvic zu beobachten... ihn mit Locking gesehen? Am Mullholland Drive?
Es sei denn, ich lag völlig falsch, und Cruvic hatte sowohl Hope als auch Locking getötet, um sie zum Schweigen zu bringen.
Aber wieso sollte er dann seinen Anwalt zu Milo schicken?
Je mehr ich darüber nachdachte, desto fester war ich davon überzeugt, dass der Mörder es als Nächstes auf Cruvic abgesehen hatte und Cruvic das wusste.
Jahrelang war er mit seinen unmoralischen Praktiken durchgekommen, bis er sich schließlich mit dem Falschen angelegt hatte.
In Zusammenarbeit mit Hope und Locking.
Unmoralische Praktiken... Sterilisationen ohne Einverständniserklärung … Organdiebstahl.
Das Haus am Mullholland Drive.
Privatklinik.
Etwas, wo auch Locking mit drinsteckte …
Und dann begriff ich.
So einfach.
Aber wie passte Mandy Wright in das Bild? Das Callgirl …
Kurz bevor sie ermordet wurde, war sie in den Clubs von Los Angeles gesehen worden. Und noch davor hatte sie Cruvic und seinen Vater in Las Vegas getroffen, das Casino mit den beiden verlassen.
Nicht für Sex.
Eine andere Art von Job.
Zu Barnaby hatte sie gesagt: »Ich bin Schauspielerin.«
Wie hatte Milo noch mal den Club None beschrieben? Die Welt der Reichen und Schönen.
Letzteres passte auf Mandy.
Auch auf ihren Begleiter?
Die bedauernswerte Kellnerin, Kathy DiNapoli. Ermordet, nur weil sie am falschen Ort zur falschen Zeit Drinks serviert hatte.
Die Schönen.
Mandy war dafür bezahlt worden, jemanden abzuschleppen.
Eine besondere Art von Freier.
Langsam, unaufhaltsam, wie eine Schlange, die durch die Wärme zum Leben erwacht, entrollte sich die Kette in meinem Kopf.
Die Kette zwischen Hope, Locking, Mandy, Kathy. Eine giftige Schlange.
Wie hieß doch gleich die Produzentin der Talk-Show, in der Hope aufgetreten war? Suzette Band. Ich hatte versprochen, sie anzurufen, falls ich etwas herausfand.
34
Nächste Etappe: Mullholland Drive.
Bei Tag war die Straße schön, das Haus hinter dem automatischen Tor ein moderner Bau mit bunt leuchtender Einfassung durch Blumen, die im Dunkeln nicht zu sehen gewesen waren.
Ich hatte mein verschwitztes T-Shirt anbehalten, statt der Shorts aber Jeans angezogen. In der Hand hielt ich eine kleine weiße Tüte, die ich vor einer Stunde in einer Apotheke in Beverly Hills bekommen hatte. Um die Tüte zu kriegen, hatte ich Zahncreme und Zahnseide und Vitamin C gekauft. Mein Seville, den ich unten an der Straße geparkt hatte, war alt genug, um als Lieferantenfahrzeug durchzugehen, so hoffte ich wenigstens.
Ich klingelte. Nach einem Moment ertönte eine Stimme aus dem Lautsprecher. »Ja?«
»Lieferung von der Apotheke.«
»Moment.«
Wenige Augenblicke später öffnete sich die Haustür. Ein Mann in schwarzem Hemd und in schwarzen Jeans trat heraus, starrte mich an und kam dann plattfüßig und schwerfällig auf mich zugestapft.
Er war Ende dreißig, klein und breit mit schütterem Haar, hinten zu einem jämmerlichen Pferdeschwanz gebunden. Brille mit Drahtgestell, Boxergesicht.
Er wirkte schläfrig, bis auf die kleinen Schweinsäuglein, die mich unverwandt anblickten.
Das schwarze Seidenhemd hatte er nicht in die Hose gesteckt, und beim Gehen hielt er die rechte Hand vor den Körper, als wollte er etwas verbergen. Polizisten in Zivil trugen ihre Hemden immer aus der Hose, um den Revolver zu verbergen, und ich nahm an, dass dieser Schlägertyp es aus dem gleichen Grund tat.
»Ja?«
»Eine Lieferung für Mr. Kruvinski.«
Ich hielt ihm die Apothekentüte hin.
»Was ist da drin?«
»Medizin, schätze ich.«
»Er kriegt seine Medizin von seinem Arzt.«
Ich versuchte, teilnahmslos auszusehen.
»Zeig mal.«
Ich gab ihm die Tüte, und er holte ein Fläschchen mit gelben Tabletten heraus. Die Farbe war richtig, aber die Form stimmte nicht. In meinem »Medizinischen Handbuch« hatte gestanden, dass Imuran-Tabletten eine kleine Rille hatten. Diese hier waren glatt. Schlichtes Vitamin C. Schwarzhemd reagierte nicht. Unachtsam, wie ich gehofft hatte.
Das Etikett war ein echtes Kunstwerk. Ich hatte ein altes über Wasserdampf von einem Penicillin-Fläschchen gelöst, sämtliche Angaben bis auf den Namen der Apotheke und die Rubriken, in denen das Datum und der Name des verschreibenden Arztes einzutragen war, mit Tipp-Ex entfernt. Dann hatte ich es fotokopiert, die neuen Angaben eingetippt und die Fälschung wieder auf dem Fläschchen befestigt. Es war mir
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