Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11

hat mir gleich an ihm gefallen.«
    Dann küsste sie die Glatze des großen Mannes mit einer Hingabe, die weit über eheliche Pflichterfüllung hinausging, und er lächelte und blickte zu dem riesigen Panoramafenster hinaus, das so groß ist wie die Bühne der Metropolitan Opera. Er wirkte beinahe verträumt, und vielleicht träumte er ja - wer bin ich kleiner Schreiberling,
dass ich etwas anderes behaupten dürfte. Die ehemalige Miss H. legte den Arm um ihn, und er schaute weiter hinaus. Schaute und träumte. Als sähe er einen Film. Anders als die Filme, die er produziert, aber ebenso sinnlich. Die appetitliche Dame des Hauses schlug ihre Mannequinbeine übereinander, und der ergebene Autor dieser Zeilen nippte seinen Chivas, fühlte dessen warme Glut durch die arme, termingeplagte Kehle rinnen wie schottische Lava. Alles in allem, kein schlechter Tag in Xanadu. Hoffen wir, dass Big Micky noch viele solcher Tage erlebt.
    Brooke Hastings. Eine »Schauspielerin« nimmt den Namen der Fleischwaren- und Düngemittelfabrik ihres Göttergatten an. Kruvinskis Sinn für Humor - ob sie gewusst hat, womit er sie verglich?
    Ich ging die übrigen Artikel durch.Weder eine andere Ehefrau noch sein Sohn, der Arzt, noch irgendwelche anderen Verwandten wurden erwähnt. Am Ende war nur noch von Big Mickys gesundheitlichen Problemen die Rede, fast tränenrührend.
    Wo war der alte Mann jetzt? Nach Los Angeles gezogen, damit Sohnemann sich um ihn kümmern konnte? In dem großen Haus am Mullholland Drive, hinter Toren geschützt?
    Aber wenn seine Nieren nicht funktionierten, brauchte er die Dialyse. Instrumente, Überwachung.
    Eine Klinik im Haus?
    War Schwester Anna an dem Abend, als ich sie mit Locking im Auto gesehen hatte, dorthin gefahren?
    Eine private Krankenschwester für einen äußerst privaten Patienten?
    Junior als Arzt für Senior …

    Aber Junior war Gynäkologe. Hatte er überhaupt die notwendige Qualifikation?
    Ein Gynäkologe, der ursprünglich mal als Chirurg angefangen hatte.
    Warum hatte er die Facharztausbildung an der Universitätsklinik in Seattle abgebrochen?
    Und was hatte er in dem Jahr danach wirklich gemacht?
    Ich fuhr nach Hause und rief in Seattle an.
     
    Der Leiter der Chirurgie war ein Mann namens Arnold Swenson, aber seine Sekretärin erklärte mir, er hätte diese Stellung erst seit einem Jahr inne.
    »Wissen Sie noch, wer vor vierzehn Jahren Chefarzt war?«
    »Nein, da war ich nämlich auch noch nicht hier. Bleiben Sie dran, ich werde mich erkundigen.«
    Kurze Zeit später meldete sich eine älter klingende Frau.
    »Inga Blank am Apparat, Sie wünschen bitte?«
    Ich wiederholte die Frage.
    »Das muss Dr. John Burwasser gewesen sein.«
    »Ist er noch berufstätig?«
    »Nein, er ist im Ruhestand. Darf ich fragen, worum es geht?«
    »Ich arbeite für die Polizei von Los Angeles an einem Mordfall.Wir hätten da ein paar Fragen zu einem Ihrer ehemaligen Assistenzärzte.«<
    »Ein Mordfall?«, sagte sie erschrocken. »Um welchen Assistenzarzt handelt es sich?«
    »Dr. Milan Cruvic.«
    Ihr Schweigen sagte mehr als Worte.
    »Ms. Blank?«
    »Was hat er gemacht?«
    »Wir brauchen lediglich ein paar Hintergrundinformationen.«

    »Er war nur kurz bei uns.«
    »Aber Sie erinnern sich gut an ihn.«
    Wieder Schweigen. »Ich kann Ihnen nicht einfach Dr. Burwassers Nummer geben, aber wenn Sie mir Ihre sagen, richte ich ihm Ihre Nachricht aus.«
    »Danke. Könnten Sie mir nicht vielleicht etwas über Dr. Cruvic erzählen?«
    »Tut mir leid, nein.«
    »Aber es scheint Sie nicht zu wundern, dass die Polizei sich für ihn interessiert.«
    Ich hörte, wie sie sich räusperte. »Heutzutage wundert mich fast nichts mehr.«
    Da ich nicht damit rechnete, zurückgerufen zu werden, und außerdem annahm, dass Milo noch mit Barone zu tun hatte, zog ich mir meine Joggingsachen an und wollte mir den Frust aus dem Leib rennen.
    Das Telefon schellte, als ich gerade die Tür hinter mir zuzog. Ich hetzte zurück ins Haus und hob ab, bevor sich der Anrufbeantworter einschaltete.
    »Dr. Delaware.«
    »Dr. Burwasser am Apparat«, sagte eine kühle, gereizte Stimme. »Wer sind Sie?«
    Ich fing an, es zu erklären.
    »Klingt nicht überzeugend.«
    »Wenn Sie es wünschen, kann ich Detective Sturgis bitten, Sie anzurufen -«
    »Nein, ich werde damit nicht noch mehr Zeit verschwenden. Cruvic war noch nicht mal ein ganzes Jahr bei uns, und das vor vierzehn Jahren.«<
    Nicht vor zirka vierzehn Jahren. Kurz, aber unvergesslich?
    »Warum ist er