Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11
zusammenzuziehen - irgend etwas - ein kleiner Teufel tobte in seinem Innern herum.
»Wir meinen nackte Haut«, sagte Brad. »Es läuft im Kabelfernsehen, deshalb geht man ein bisschen lockerer damit um. Keine Pornografie, aber doch ziemlich viele Bettszenen. Würden Sie bitte Ihr Hemd ausziehen?«
Der Hoffnungsvolle antwortete nicht. Sein Puls war auf über hundertzwanzig gestiegen.Trotz des vielen Herz-Kreislauf-Trainings … Scheiße, Scheiße, Scheiße.
»Ist was?«, fragte Paige.
Sie stand auf seiner Seite. Vielleicht konnte er doch noch eine Lösung finden.
»Nichts Schlimmes«, sagte er. »Ich habe eine Narbe. Es gibt einige, die finden sie sogar ziemlich maskul -«
»Eine Narbe, wo?«, unterbrach Brad ihn.
»Keine große Sache.«
»Wo?«
»Auf dem Rücken.«
Brad runzelte die Stirn.
Der Hoffnungsvolle musste rasch denken.Versuchen, Paige mit der ausdruckslosen Stimme zu gewinnen. Gleichmütig wirken - schauspielern! Überzeugungskraft!
Er deutete auf seinen Rücken. »Genau unterhalb der Taille. Wenn die Szenen also nur Teilkörper -«
»Lassen Sie mal sehen«, sagte Brad. »Ziehen Sie Ihr Hemd aus.«
Der Hoffnungsvolle warf Paige einen flehenden Blick zu.
Sie nickte. Schläfrige Augen. Nachlassendes Interesse.
Er zog sich das Sweatshirt über den Kopf.
»Drehen Sie sich um und ziehen Sie Ihre Jeans so tief runter, dass wir die ganze Narbe sehen können«, sagte Brad.
Der Hoffnungsvolle tat wie geheißen.
Langes Schweigen.
Er wusste, warum.
Die beiden starrten ungläubig. Angewidert.
Er legte die Hände auf die Hüften, versuchte, sie durch die kräftigen, reliefartigen Muskeln auf Schultern und Rücken abzulenken.
»Wo haben Sie sich denn das geholt?«, fragte Brad.
»Beim Bergsteigen. Klettern. Ich bin gestürzt, hab’ mich am Rücken verletzt, musste genäht werden.«
»Das ist aber nicht gut gemacht worden«, sagte Brad. »Ganz schön groß, die Narbe.«
Und der Hoffnungsvolle wusste, was er dachte.Was beide dachten. Hässlich.
Denn das war sie. Rosa, wulstig, glänzend. Ein Keloid, eine Narbengeschwulst. Besonders auffällig, weil die Haut ansonsten so glatt und bronzefarben war. So perfekt.
Er hatte gelesen, eine schludrige Operation würde ein solches Keloid hervorrufen. Oder es war genetisch bedingt. Bei Schwarzen trat es häufiger auf. In Afrika galt es als Schönheitsmerkmal.
Die Behandlung: Kortisonspritzen genau in die Wunde, gleich zu Anfang. Jetzt war es zu spät. Die einzige Hoffnung: eine weitere Operation, aber auch dann ein großes Fragezeichen. Er hätte sie sich zur Zeit ohnehin nicht leisten können. Und zwar aus vielerlei Gründen.
»Muss ja ein ziemlicher Sturz gewesen sein«, sagte Brad. Arroganz in der Stimme.
Wut stieg in ihm auf.
Heiße, kochende, glühende Wut. Sie schäumte ihm von unten hinauf in die Brust. Wie ein Herzanfall, aber er hatte die Nächte voller Panikattacken überstanden, den kalten Schweiß, wusste, sein Herz war gesund. Sein Herz …
Seine Hände wollten zudrücken, und er zwang sich, sie entspannt zu halten. Zwang den Schweiß, drinnen zu bleiben.
Niemand sagte etwas.
Der Hoffnungsvolle hielt den beiden weiter den Rücken zugewandt. Er wusste, der leiseste Anflug von Wut würde ihm die letzte Chance auf die Rolle des Helden rauben.
Als ob er überhaupt noch eine Chance hatte. Aber weitermachen. In dieser Branche heißt es, immer weitermachen...
»Welchen Berg haben Sie denn bestiegen?«, fragte Paige, und er wusste, dass sie sich über ihn lustig machte.
»Spielt das eine Rolle?«, sagte er, zog das Sweatshirt wieder an und drehte sich um.
Und wäre vor Überraschung fast umgefallen.
Denn Brad und Paige hielten Revolver und Dienstmarke in den Händen.
»Sieht eher nach einer Operationsnarbe aus«, sagte Brad. »Sieht eher nach einer größeren Operation aus. Ist das nicht die Stelle, wo die Nieren sind?«
Der Hoffnungsvolle antwortete nicht.
Brad sagte: »Und der Oscar geht an... Okay, Hände auf den Rücken, Mr. Muscadine, und bleiben Sie so stehen.«
Der Hoffnungsvolle machte einen Schritt zurück.
»Ganz ruhig, Bürschchen«, sagte der fette Brad. »Wir wollen doch keinen unnötigen Ärger.«
»Hände hoch, Reed«, sagte Paige. Schneidende Stimme,
feindselig, sie war nicht mehr auf seiner Seite. Sie war nie auf seiner Seite gewesen.
Er stand da und sah die beiden an.
Erbärmliche Typen. Jämmerlich.
Er war sehr groß, sehr stark, könnte vermutlich einigen Schaden anrichten.
Wäre letzten Endes natürlich
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