Wofür du stirbst
Monaten wieder auf Facebook ein. Ich habe aus verschiedenen Gründen unter verschiedenen Identitäten Accounts erstellt, logge mich heute aber auf meinem persönlichen ein. Ich habe mir nie die Mühe gemacht, Freunde zu finden, nur Vaughn hatte darauf bestanden. Er war mein einziger Kontakt. Auf seinem Profil prangt als Beziehungsstatus stolz »mit Audrey Madison«. Ich klicke auf Audreys Profil, auf dem sie ebenso stolz ihren Beziehungsstatus als »schwierig« bezeichnet.
Zu meiner Überraschung und Freude hat Audrey ein öffentliches Profil. Unter »Informationen« entdecke ich ihre Mailadresse, eine Fülle von Filmen, die ihr gefallen (vor allem Horror und Thriller), ihren durchaus vielseitigen Musikgeschmack (Simon and Garfunkel, Metallica, die Beatles) und dass sie in Northamtpon zur Schule und später in Leicester auf die Uni gegangen ist. Ihre Hobbys sind Kochen und im Fitnessstudio trainieren. Leider macht sie keine Angaben zu ihrer Arbeit. Ich klicke weiter zur Liste ihrer Freunde (es sind insgesamt dreihundertsiebzehn) und gehe sie durch.
Zehn Freunde arbeiten bei Arnold and Partners in Briarstone. Ich klicke auf den Link, der zur Seite führt, und entdecke, dass es sich um eine Abrechnungsfirma im Stadtzentrum handelt. Ich gehe zurück zu Audreys Freundesliste, merke mir die Namen derjenigen, die bei Arnold beschäftigt sind, dann gehe ich zu Audreys Pinnwand. Und da ist ein Posting vom vergangenen Freitag:
Cheryl Dann: Hoffe du hast ein schönes Wochenende, Süße. Sehen uns Montag bei der Arbeit
Die Homepage von Arnold and Partners enthält praktischerweise auch eine Wegbeschreibung und die Bürozeiten.
Ich gehe zu Audreys Pinnwand zurück und lese die verschiedenen Status-Updates und Kommentare durch. Gestern hat Audrey geschrieben:
Audrey Madison: Kann Adeles Geburtstagsfeier am Freitagabend kaum erwarten. Ist lange her, muss dringend mal raus.
Darunter kommentieren ein paar Freunde.
Lara Smith: Freu mich dich zu sehen. Wann treffen wir uns im Lucianos?
Claire McLeod: Lara, Tisch ist für 8 Uhr reserviert.
Lara Smith: Danke. Sehen uns dort!
Cheryl Dann: Supi, supi.
Adele Babycakes Strachan: Freu mich sehr.
Mithilfe des Internets finde ich heraus, dass es in Briarstone tatsächlich ein Luciano’s gibt – ein italienisches Restaurant direkt im Stadtzentrum. Es liegt am Market Square, an dem sich auch drei Bars und einer der größten Nachtclubs befinden.
Dann klicke ich endlich wieder Audreys Facebook-Profil und ihre Fotos an. Sie hat zwölf Alben; drei davon tragen zum Glück eine Überschrift, die darauf schließen lässt, dass es sich um Fotos der letzten Sommerurlaube handelt.
Ich fange bei dem an, der am weitesten zurückliegt: »Kos, August 2009.« Bevor ich mich durchklicke, stehe ich auf, ziehe meine Hose aus, hänge sie ordentlich auf einen Kleiderbügel und dann in den Schrank. Den restlichen Abend wichse ich zu den vielen reizenden Fotos von Audrey im Bikini. Sie gehört nicht länger Vaughn. Für sie mag es »kompliziert« sein, für mich ist es herrlich einfach.
Sie gehört mir.
Briarstone Chronicle
Leichnam von ehemaligem Gemeinderatsmitglied aufgefunden Vergangenen Samstagabend wurde die Polizei in ein Haus in der Newton Lane gerufen. Dort wurden die verwesten Überreste eines älteren Mannes gefunden, bei dem es sich vermutlich um das ehemalige Gemeinderatsmitglied George Armstrong (92) handelt. Wie ein Sprecher der Polizei mitteilte, hatten die Nachbarn einen starken Gestank gemeldet, der vom Anwesen ausgegangen sei.
Mr. Armstrong war von 1975 bis 1988, dem Jahr seiner Pensionierung, Mitglied des Gemeinderats in Castle Ward. Er war 1980 und 1985 Gemeindevorsteher und maßgeblich an der Sicherung unzähliger Arbeitsplätze in der Langridge-Papierfabrik beteiligt, der 1980 eine Welle von Entlassungen drohte.
Ein Nachbar, der nicht genannt werden will, sagte, er habe Mr. Armstrong schon länger nicht mehr gesehen. »Er ging immer spazieren und grüßte freundlich. Ich hatte ihn schon seit ein paar Monaten nicht mehr gesehen und dachte, er sei im Krankenhaus oder ins Heim gekommen.«
Marjorie Baker aus Newton Lane sagte, sie habe geglaubt, Mr. Armstrong sei zu Verwandten nach Australien gezogen. »Ich finde es furchtbar, dass heutzutage niemandem auffällt, wenn man plötzlich nicht mehr da ist«, sagte Mrs. Baker. »Die Menschen sollten mehr aufeinander achten.«
George
Nach Vilettes Tod war nichts mehr so wie früher. Ich habe sie immer Vi genannt. Sie war
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