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Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haynes
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verändert, oder? Ich weiß, wer er ist und wozu er in der Lage ist. Ich bin nicht mehr anfällig für ihn und weiß genau, was ich tue. Aber er weiß das nicht, oder? Das verschafft mir einen Vorteil.«
    Sam runzelte die Stirn.
    »Du bist verrückt. Im Ernst. Was zum Henker denkst du dir dabei? Außerdem wird er doch bestimmt von deiner Einheit überwacht, oder?«
    »Die sind mit anderen Sachen beschäftigt; ich habe nachgefragt. Hör zu, wir haben nicht viel Zeit«, sagte ich. »Vielleicht ist er ja nur reingegangen, um eine Zeitung zu kaufen. Ich weiß nicht einmal, ob es funktionieren wird – vielleicht sieht er mich gar nicht oder geht mir aus dem Weg. Aber wenn er Audrey hat, dann hält er sie nicht in ihrer oder seiner Wohnung fest, stimmt’s? Also wo ist sie dann? Vielleicht bringt er mich an denselben Ort, wo immer das auch sein mag.«
    Ich öffnete die Wagentür, Sam wolle mich am Arm festhalten, erwischte mich aber nicht mehr und musste selbst aussteigen. Leichter Nieselregen fiel herab und ließ alles um uns verschwimmen. Am Himmel hingen dunkelgraue Wolken, ein kalter Wind wehte.
    »Warte. Warte noch kurz«, sagte er und stellte sich mir in den Weg. »Was ist, wenn ich dir nicht folgen kann und wir getrennt werden?«
    »Ich habe mein Handy dabei. Nimm meine Tasche mit. Ich glaube nicht, dass er mich durchsuchen wird oder so. Falls er mich irgendwo hinbringen sollte, wird das nicht allzu weit von hier sein. Melde dich bei DI Frost und erzähl ihm alles. Sobald ich die Möglichkeit habe, schicke ich eine SMS, dann sollten sie mich finden können.«
    »Und was ist, wenn sie dich nicht finden können? Wenn du kein Netz hast? Annabel, das ist doch Wahnsinn …«
    »Er wird mich nicht umbringen«, sagte ich fröhlich und lief durch die Pfützen über den Platz in die Richtung, in die Colin gegangen war. Ich war tatsächlich ein wenig verrückt, dachte ich bei mir. Doch das hatte Sam schon immer gewusst, nicht wahr?
    Ich sah mich nach ihm um. Er lief hinter mir her und holte mich ein.
    »Annabel«, sagte er völlig außer Atem. »Warte noch einen Moment. Stopp.«
    Ich blieb stehen. Wir standen am Aufgang, der zu den Geschäften unter den Arkaden und dem Supermarkt um die Ecke führte. Ich hatte bereits eine Bank draußen entdeckt, auf die ich mich setzen und warten konnte.
    »Ich gehe in den Supermarkt und schaue, ob er dort ist«, sagte er. »Danach komme ich wieder raus und warte in einem Laden, von dem aus ich dich sehen kann. Nur für den Fall, dass er zu Fuß mit dir verschwindet. In Ordnung?«
    »Ja«, sagte ich und war überrascht, wie erleichtert ich mich fühlte. »Danke. Aber bitte …«
    »Bitte was?«
    »Bitte misch dich nicht ein.«
    Daraufhin trennten wir uns, und ich ließ mich auf die Bank fallen. Ich hätte gerne Sam nachgesehen, um zu wissen, wo er hinging, doch ich war jetzt vom Supermarkt aus deutlich zu sehen, und falls – nur falls – Colin mich entdeckte, wollte ich diese Unternehmung nicht gefährden, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Also senkte ich den Kopf und riskierte nur einen kurzen Blick zur Tür.
    Damit es funktionierte, musste ich den richtigen Gesichtsausdruck aufsetzen. Der Regen kam mir da gerade recht; er hatte bereits mein Haar durchnässt, sodass es an meinem Kopf klebte. Meinen Mantel hatte ich in Sams Auto gelassen und saß nur in Bluse und Strickjacke da. Ich blickte auf die Wolle hinab, auf der sich kleine Regentropfen sammelten, die im Licht der Geschäfte funkelten und nun langsam in die Fasern einzogen. Ich schloss langsam die Augen und öffnete sie dann wieder, und als ich meinen Blick hob, sah ich, wie die automatischen Türen des Supermarktes aufgingen und Sam herauskam. Er ging an mir vorbei, doch falls er mir irgendein Zeichen gegeben hatte, bemerkte ich es nicht, ich sah nur seine Beine und seinen entschlossenen Gang. Er verschwand aus meinem Gesichtsfeld. Ich musste an die Überwachungskamera denken, die irgendwo hinter mir befestigt war und zweifellos in eine andere Richtung zeigte. Ich musste daran denken, wie ich aussah. Ich ließ meine Schultern hängen.
    Ich hörte den Leuten zu, den Unterhaltungen, schnappte Gesprächsfetzen auf. Ich roch den Fish-and-Chips -Laden. Mein Gesicht war wie versteinert, immer wieder schloss und öffnete ich langsam die Augen. Und wartete. Ich staunte, wie einfach es war, dieses Gefühl der Einsamkeit zu simulieren: Überall um mich herum waren Leute, doch ich hatte das Gefühl, gar nicht zu existieren. Ich saß in

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