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Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haynes
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von dem Ort zurückgeholt, an den ich freiwillig gehen wollte. Doch inzwischen war mir natürlich bewusst, dass er damit recht gehabt hatte. Trotzdem gab es immer noch Momente, an denen ich alleine sein wollte, am liebsten die Türe verschlossen und auf Ruhe, Stille und das gewartet hätte, was Colin so oft erwähnt hatte – die Verwandlung . Dass ich endlich ohne Anstrengung zu etwas Besserem und Schönerem werden konnte. Friede.
    Manchmal dachte ich immer noch, dass er am Ende vielleicht doch ein Engel war.
    Das Einzige, was meine Meinung änderte, war der Gedanke an all die anderen Menschen, denen er genau dies eingeredet hatte. Sie konnten nicht alle freiwillig den Tod gewählt haben. Und das hatte Audrey ganz offensichtlich auch nicht – sie hatte wohl kaum seinen Vorschlag angenommen, oder? Er hatte sie auf diesen Weg geschickt, zu seiner persönlichen Befriedigung oder warum auch immer. Und was hatte er wohl empfunden, als ihm bewusst geworden war, dass ich mich nicht verwandelt hatte? Als kein Bericht über mich in der Zeitung erschien? Als er begriff, dass ich entkommen war? War er da verärgert oder bestürzt gewesen?
    Und wie würde er sich fühlen, wenn er mich wiedersah? Würde er mich überhaupt erkennen?
    »Wenn er rauskommt …«, sagte ich laut, beendete dann aber den Satz nicht.
    »Was, wenn er rauskommt?«
    »Will ich mit ihm reden.«
    Sam sah mich beunruhigt an. »Was? Nein. Das kommt gar nicht infrage.«
    Ich wandte mich zu ihm um, versicherte mich, dass ich seine ganze Aufmerksamkeit hatte. »Sam, ich habe eine Idee. Ich weiß, wie wir Audrey finden können.«
    »Wie?«
    »Er kann mich zu ihr bringen.«
    »Was? Wie meinst du das?«
    Ich zögerte und überlegte, ob ich es ihm sagen sollte und wie er darauf reagieren würde. Und dabei verpasste ich die Gelegenheit, denn Colin Friedland kam aus seinem Haus und schloss die Tür fest hinter sich zu. Er stieg in seinen dunkelblauen Fiesta, der in der Einfahrt parkte, und fuhr im Rückwärtsgang auf die Straße hinaus.
    Sam hatte bereits den Motor angelassen. Er wartete, bis der Fiesta am Ende der Straße angelangt war und hilfreich für uns nach links Richtung Stadtzentrum blinkte, dann fuhr er ihm hinterher.
    »Sag nichts«, sagte er, obwohl ich noch gar nichts gesagt hatte. »Ich will nur sehen, wo er hinfährt. Okay?«
    »In Ordnung«, sagte ich.
    »Wirklich?«
    Sobald wir auf der Hauptstraße waren, schob sich ein weißer Lieferwagen zwischen uns und den Fiesta. An der Ampel fuhren wir langsamer, ich konnte gerade den Seitenspiegel von Colins Wagen erkennen.
    »Egal, was du tust, bitte verlier ihn nicht aus den Augen«, sagte ich.
    »Keine Sorge«, sagte Sam und seufzte, was wohl andeuten sollte, dass ich ihm langsam auf die Nerven ging.
    Wir hofften beide insgeheim, dass er uns zu Audrey bringen würde, doch nach ein paar Minuten fuhr er auf den Parkplatz des Einkaufszentrums. Sam fuhr an ihm vorbei zum Kreisverkehr und dann wieder zurück.
    Während wir herumkurvten, hatte Colin geparkt und war bereits auf dem Weg zum Supermarkt. Er hatte einen Leinenbeutel dabei.
    Sam fuhr rückwärts auf einen Parkplatz hinter dem Fiesta und stellte den Motor aus. Ich schnallte mich ab.
    »Wo willst du hin?«, fragte er. »Wir können doch einfach warten, bis er zurückkommt …«
    »Nein«, sagte ich. »Ich werde mit ihm reden.«
    »Was?«, sagte Sam. Zum ersten Mal schrie er fast.
    Ich kramte in meiner Handtasche nach meinem Handy, einem billigen Prepaidgerät, das Irene mir gegeben hatte – vermutlich war es ihr altes –, denn das, was Colin mir abgenommen hatte, lag immer noch irgendwo unter den anderen Beweismitteln in einer Plastiktüte. Ich hatte überlegt, mir ein hübsches neues Handy zu kaufen, doch jetzt war ich froh, dass ich es nicht getan hatte – dieses hier war perfekt. Es war klein und leicht. Ich ertastete es am Boden meiner Tasche, und zu Sams Überraschung knöpfte ich die obersten drei Knöpfe meiner Bluse auf und schob das Handy in meinen BH.
    »Was zum Teufel …?«
    »Hör zu«, sagte ich. »Ich setze mich jetzt vor den Supermarkt auf die Bank, vielleicht erkennt er mich ja wieder, wenn er rauskommt. Verstehst du? Vielleicht – möchte er es ja noch mal versuchen.«
    »Bis du total verrückt geworden?«, fragte Sam mit weit aufgerissenen Augen. So hatte ich ihn noch nie reden gehört. »Annabel, er hat versucht, dich umzubringen. Und du willst, dass er es noch einmal versucht?«
    »Aber nein. Jetzt hat sich die Lage doch

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