Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haynes
Vom Netzwerk:
ist. Der Teppich hat dasselbe psychedelische Muster wie der, der in den Siebzigerjahren im Wohnzimmer meiner Eltern lag. Ich lege mich auf ein Bett, das nach Feuchtigkeit und Sex riecht, und sehe ihr dabei zu, wie sie sich auszieht und ihr Polyester-und Stretch-Nylonspitzenzeug auf ein ausgefranstes Chintzsofa legt. Ihr Körper ist alt und verbraucht, ihre Haut hängt schlaff von den Knochen, das Haar unter ihrer Perücke ist grau und struppig. Ich versuche sie zu ficken, spüre aber nicht einmal die Ränder ihres riesigen Lochs, also nimmt sie schließlich ihr Gebiss heraus und bläst mir einen, bis ich endlich komme. Natürlich endet meine Fantasie erst, wenn ich die unerhört hohe Summe bezahlt und sie mich, verschwitzt und an Gesicht, Händen, Körper und Klamotten nach ihren Körperflüssigkeiten riechend, wieder auf die Straße entlässt.
    Manchmal kann ich die Fantasie so weit verändern, dass sich eine atemberaubend schöne Person, ein Engel mit weichem blondem Haar, das in Locken über die üppigen Brüste fällt, in meinen Wagen beugt. Sie steigt ein, bringt mich zu einem Hotel und direkt hinauf in die Penthousesuite. Dort zieht sie mich vor einer großen Fensterwand aus, hinter der irgendeine Skyline zu sehen ist. Ihr Körper ist sinnlich und weich, ihre Haut glänzt, als sie sich auf die blütenweißen Laken legt. Doch als ich es versuche, kann ich sie nicht vögeln. Ich kann es einfach nicht. Ich kann mich nicht überwinden sie anzusehen, ich kann nicht einmal meine jämmerliche Erektion halten.
    Was ist bloß mit mir los, dass ich mir Glück nicht einmal vorstellen kann?
    Also gehe ich zurück in die abscheuliche Sozialwohnung und ficke die alte Schlampe, die inzwischen tot oder eingeschlafen ist und regungslos mit ihren spitzen Knochen und der labberigen Haut unter mir liegt, erleichtere mich freudlos, gehe ausgiebig duschen und überlege, was für ein Mann ich bloß bin.
    Als ich gestern Nacht wieder ins Bett ging, nachdem ich mich abgetrocknet hatte und nach Duschgel duftete, musste ich an Janice denken. In letzter Zeit dachte ich oft an sie und ließ mir den Tag durch den Kopf gehen, an dem man uns in der Arbeit mitteilte, dass man ihre Leiche gefunden hatte.
    Und ich frage mich, ob sie mir erlaubt hätte, sie zu ficken.
    Ich gehe um sieben ins Fitnessstudio und denke immer noch an Janice. Dreißig Minuten Bike, dreißig Minuten am Rudergerät, dreißig Minuten Laufband. Klingt nach hartem Workout, doch der Gedanke an sie beschäftigt mich fast die ganzen neunzig Minuten.
    Ich weiß noch, wann Janice das erste Mal mit mir gesprochen hat. Sie arbeitete schon seit Jahren für die Gemeinde, gehörte fast schon zum Inventar, wie der Fotokopierer oder der Stapel uralter Telefonbücher. Ich hatte sie niemals sprechen hören.
    Eines Tages jedoch brachte sie die Post herauf, und statt alles in die Ablage neben der Tür zu legen, kam sie mit einem Umschlag zu meinem Schreibtisch. Sie räusperte sich und sagte dann: »Der ist für Sie.«
    Erstaunt blickte ich auf.
    Sie war damals wohl Ende dreißig, also so alt wie ich jetzt, sah aber fast wie fünfzig aus, trug einen langen Pferdeschwanz, ihr Haar war von einem dumpfen Braun und an den Schläfen bereits ein wenig ergraut, sie hatte helle Augen und Falten im Gesicht. Ein wenig Make-up hätte ihrem Gesicht gut gestanden, dieser Meinung war ich nicht oft. Ich stellte mir vor, dass sie gut in eine dieser schrecklichen Vorher-nachher-Shows im Fernsehen gepasst hätte, wo man sie von einer alten Jungfer in eine schöne, selbstsichere Frau verwandelt hätte.
    Sie lächelte mich an, als könne sie Gedanken lesen, und dabei veränderte sich ihr gesamtes Gesicht. Sie wurde beinahe hübsch – von der hässlichen Alten zum Engel.
    Danach habe ich mich noch ein paarmal mit ihr unterhalten. Oft machten wir uns zufällig zur selben Zeit Tee in der Küche. Sie war nie sehr gesprächig, aber immer höflich und zuvorkommend, und – dass ich so was jemals sagen würde, kann ich kaum glauben – ich genoss ihre Gesellschaft. Als sie schließlich krank wurde, fehlte sie mir beinahe. Doch dann blieb sie so lange fort, dass wir sie völlig vergaßen, bis zu dem Tag, an dem der unfähige Idiot aus der Personalabteilung uns ins Konferenzzimmer rief, um uns mitzuteilen, dass Janices Leiche in ihrem Haus gefunden worden war. Ich hatte überlegt, dass sie wahrscheinlich einen Herzanfall gehabt hatte, und ging davon aus, dass man uns gleich darauf sagen würde, wann wir jemand Neuen

Weitere Kostenlose Bücher