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Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haynes
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Protokoll, Mr. Gardiner habe sich nach dem Verlust seines Partners völlig zurückgezogen.
    »Wir versuchten, ihn zum Ausgehen zu bewegen«, sagte ein Freund, der nicht namentlich genannt werden will. »Doch Larry fehlte ihm schrecklich. Sie waren immer zusammen.«
    Noel Gardiner war ein begabter Musiker, der weltweit mit verschiedenen Orchestern aufgetreten war. Nach Bekanntgabe seines Todes wurden unzählige Nachrufe veröffentlicht, Blumensträuße wurden vor dem Haus in der Lenton Lane niedergelegt.
    Todesanzeige: Seite 46

 
    Noel
    Als ich ihn zum ersten Mal sah, wusste ich, dass er der Richtige war. Ich wusste es, weil es sich genau so anfühlte, wie es alle immer behaupteten, auch wenn ich eigentlich nie an die wahre Liebe geglaubt habe. Ich habe immer gelacht, wenn jemand davon sprach.
    Er sang Tenor im Chor, und ich war in letzter Minute eingesprungen, weil irgendeine alte Tante abgesagt hatte. An jenem Abend habe ich mir das Herz aus dem Leib gespielt, das kann ich Ihnen sagen. Immer wenn ich es wagte, ihn anzusehen, was nicht oft vorkam, genoss ich diesen Anblick wie einen guten Wein, und genau wie nach dem ersten Schluck Alkohol breitete sich ein wohliges Gefühl in meinen Venen aus. Ich hatte nicht den Mut, ihn nach dem Konzert anzusprechen, doch glücklicherweise bemerkte er, dass ich ihn ansah. Er kam auf mich zu und fragte mich, ob ich ein Lokal in der Nähe kenne und Lust auf einen Absacker hätte.
    Ich nahm ihn mit ins Black Bull, weil ich wusste, dass ich dort keinen von den anderen antreffen würde – denn ich wollte ihn mit niemandem teilen. Ich wollte ihn für mich alleine. Der Pub überraschte ihn – denn ehrlich gesagt war er ein wenig schäbig –, doch er ließ sich nichts anmerken. Er bestellte uns eine Flasche Billigwein, und als wir diese ausgetrunken hatten, bestellte er noch eine, obwohl eigentlich die letzte Runde ausgerufen worden war. Wir unterhielten uns über Gott und die Welt, als würden wir uns seit ewigen Zeiten und nicht erst seit diesem Abend kennen. Als er mich nach Hause brachte, packte mich die Angst. Ich fürchtete, ich hätte die Situation falsch interpretiert und es handle sich nur um eine weitere Affäre, einen weiteren rein körperlichen Austausch. Oder vielleicht nicht einmal das. Er war älter als ich, sah gut aus, ich konnte kaum glauben, dass ich so viel Glück hatte.
    Doch da irrte ich mich. Ich war der größte Glückspilz der Welt.
    Danach waren wir unzertrennlich. Jedes Engagement, das wir bekamen, machten wir entweder gemeinsam, oder einer von uns sagte seinen Auftritt ab und setzte sich zum anderen ins Publikum. Wir ertrugen es einfach nicht, mehr als ein paar Stunden voneinander getrennt zu sein. Seine Stimme elektrisierte mich; ihn singen zu hören wurde zu meinem Lebenselixier. Und er hörte mir zu, wenn ich spielte, Stunde um Stunde; selbst wenn ich mein Übungspensum hinter mir hatte, wollte er, dass ich weitermachte, saß hinter mir im Lehnstuhl, schloss die Augen und verlor sich in der Musik.
    Ich glaube, niemand hat wirklich begriffen, wie eng unsere Beziehung war. Wir hatten natürlich Freunde und Familie – wobei seine liebevoller und unterstützender war als meine –, doch was uns verband, war unerschütterlich im Vergleich zu unseren vorherigen flüchtigen Beziehungen.
    Er lag am Boden, als ich ihn fand. Er musste schon eine ganze Weile so dagelegen haben, obwohl ich nur kurz aus dem Haus gegangen war, um uns etwas Leckeres zum Abendessen zu besorgen.
    Ich rief den Krankenwagen und versuchte in der Zwischenzeit alles, um ihn wiederzubeleben. Ich drückte auf seine Brust und legte meinen warmen Mund auf seinen kalten, um ihm wieder Leben einzuhauchen. Aber ich wusste, dass es sinnlos war. Er war tot. Das Licht in seinen Augen war erloschen.
    Drei Monate sind seitdem vergangen, an die ich keine Erinnerung habe. Die Zeit war bedeutungslos geworden, ich hatte kein Ziel mehr. Ich konnte nicht spielen; ich versuchte es noch nicht einmal. Ich konnte keine Musik mehr hören, konnte nicht in den Himmel sehen oder ohne ihn hinaus an die frische Luft gehen, denn ich sah keinen Grund mehr dafür. Ich konnte nur noch warten.

 
    Annabel
    Am Mittwoch begleitete ich Kate zur taktischen Besprechung, obwohl ich eigentlich gar nicht an der Reihe war. Sie schaffte es meistens irgendwie, sich aus der Affäre zu ziehen, zeigte sich allerdings diesmal überraschend interessiert. Sie hatte die Präsentation am Computer vorbereitet, und aus der Art, wie sie mir

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