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Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haynes
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es ging, seine Sachen zusammen.
    Ich habe sehr oft an Selbstmord gedacht, sogar noch bevor Graham mich verließ. Es gab Zeiten, da wünschte ich mir nichts sehnlicher als den Tod, weil ich danach schmerzfrei sein würde, doch solange Graham bei mir war, kam das nicht infrage. Was, wenn er mich fand? Außerdem hätte er mich dafür gehasst, weil ich aufgab, nachdem er doch so viel Arbeit in mich investiert hatte.
    Doch als er mich verließ, hatte ich keinen Grund mehr, weiterzuleben und niemanden, den es interessierte, ob ich lebendig war oder tot, doch ich wusste nicht, wie ich es anfangen sollte. Ich hatte Angst, etwas falsch zu machen und am Ende noch mehr Schmerzen zu haben als vorher. Denn trotz der Unmengen an Medikamenten, die ich verschrieben bekam, gelang es mir nicht, genügend Tabletten aufzusparen, dass es ganz sicher gereicht hätte. Doch ich dachte ständig daran, ich fantasierte, träumte vom Tod, so wie ich vorher von einem Leben ohne Schmerzen, einem Garten, Kindern und Wochenendausflügen geträumt hatte. Der Tod war mein trügerischer, heimlicher Freund, ich schätzte ihn und sehnte ihn herbei. Doch er war immer außer Reichweite.
    Mein Leben war verschwendet. Alles Gute war mir entrissen worden, war zerstört und hatte nichts als Leere zurückgelassen, einen Abgrund voller Schmerz und Trauer.
    Wer hätte gedacht, dass alles so einfach ist? Im Grunde brauchte ich nur jemanden, mit dem ich reden konnte. Jemanden, der verstand, wie nahe ich diesem Punkt war, und der mir sagte, dass es in Ordnung sei, so darüber zu denken. Jeder sollte das Recht haben zu entscheiden, wann es genug ist. Warum hätte ich noch jahrelang durch die Hölle gehen sollen, wenn es doch so herrlich einfach war, dieses Leben zu verlassen?

 
    Colin
    Um Punkt halb acht stand ich mit einer in Seidenpapier gewickelten Flasche Weißwein vor Vaughns Haus. Ich hatte sie zum halben Preis im Supermarkt gekauft; sie war von einem maßlos überteuerten auf einen für mich akzeptablen Betrag reduziert worden. Wahrscheinlich dachte Vaughn, dass ich mehr dafür ausgegeben hatte, als tatsächlich der Fall war.
    »Colin!«, rief er, als er mir die Tür öffnete. Er schüttelte mir freundlich die Hand, was mir sehr seltsam vorkam. Ich bin körperlichen Kontakt mit Vaughn Bradstock nicht gewöhnt. Ich kenne ihn schon seit fast vier Jahren, kann mich aber nicht erinnern, ihn jemals berührt zu haben.
    Er trat beiseite und ließ mich rein; ich zog im Flur meinen Mantel aus und überreichte ihm die Flasche. Sein Haus ist erstaunlich groß und modern eingerichtet, mit Laminatböden und neutral gestrichenen Wänden. Wie heißt diese Farbe doch gleich? Schlamm? Maulwurfsgrau? Jedenfalls ist sie grässlich, genau wie die Farbe, die man erhält, wenn man einen Wasserfarbenpinsel zig Mal in einem Glas auswäscht. In einer Ecke stand eine dieser schrecklichen Vasen mit Zweigen drin – keine Ahnung, wieso man Zweige in einen schönen Keramikschirmhalter stecken sollte. Ich werde nie verstehen, warum Leute jeder Mode folgen müssen.
    »Komm rein«, sagte Vaughn fröhlich. »Komm, ich stell dir Audrey vor.«
    Überrascht bemerkte ich, dass Vaughn Jeans und ein Markenhemd trug. Er sah jünger aus als sonst. Wenn wir uns zum Mittagessen trafen, trug er meist ein altes Hemd, bei dem er unter der Krawatte den obersten Knopf offen ließ. Ich hatte immer geglaubt, er wäre zehn Jahre älter als ich, aber jetzt war ich mir nicht mehr so sicher.
    Das Wohnzimmer war ein offener Raum mit hoher Decke und ebenfalls in einer dieser schrecklichen Modefarben gestrichen, die schon in ein paar Jahren hoffnungslos altmodisch wirken würde. Wie war noch mal der Name? Weizen? Maisgelb? Käse?
    Ich war so damit beschäftigt, das Dekor und die Kunstwerke an den Wänden anzusehen, dass ich zunächst die Frau gar nicht bemerkte, die aus der Küche kam. Vaughn hüstelte leicht und sagte in einem Ton, aus dem so etwas wie Anbetung herauszuhören war: »Colin – darf ich dir Audrey vorstellen?«
    Ich wandte mich von den abstrakten schokoladen-und mokkafarbenen Kreisen ab und streckte automatisch meine Hand aus, um ihre zu schütteln. Sie ergriff meine Hand mit einem Lächeln, streckte sich gleichzeitig zu mir hoch und küsste mich auf beide Wangen, was mich peinlicherweise völlig überraschte. Vielleicht wich ich sogar ein wenig zurück. Ich bin soziale Kontakte einfach nicht gewöhnt. Ich schämte mich, dort zu sein. Und dabei war es bloß Vaughn, Herrgott, nicht einmal wer von

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