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Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haynes
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Bedeutung. Ich spürte, dass ich errötete, und war einen Augenblick nicht in der Lage, sie anzusehen – für den Fall, dass sie mein Unbehagen bemerkte.
    Jedenfalls spielte es keine Rolle, denn sie war wieder in die Küche verschwunden, nachdem sie irgendwas wie »schön, dich kennenzulernen, danke, dass du gekommen bist … fast fertig … gedeckt«, gemurmelt hatte.
    »Colin, setz dich«, sagte Vaughn schließlich.
    Vaughn hatte Ledersofas von der Sorte, die ständig zum Sonderpreis angeboten werden, wahrscheinlich, weil ihre Käufer sie immer ausrangieren, wenn sie ihre Wohnungen umstellen. Ich setzte mich auf jenes, das mir am nächsten stand. Zum ersten Mal fiel mir die Musik auf – es lief irgendein zeitgenössisches klassisches Klavierstück: Alexis Ffrench oder etwa Einaudi?
    »Alles klar, Kumpel?«, fragte Vaughn. »Du wirkst ein wenig – angespannt.«
    »Ah«, sagte ich. Endlich hatte ich die Sprache wiedergefunden. »Ja. Ich saß im Verkehr fest.«
    Ihn schien meine plötzliche Unfähigkeit zu kommunizieren nicht im Geringsten zu beunruhigen, und er plauderte munter über alles Mögliche – die Wirtschaftslage, seinen neuen Wagen oder einen eventuellen Hausanbau –, während ich die ganze Zeit nur an Audrey denken konnte und mich fragte, was zum Teufel sie an Vaughn fand.
    Ich hatte immer den Eindruck gehabt, dass sie älter sei als er, doch jetzt weiß ich auch nicht mehr, warum. Sie hat glattes, dunkles Haar, hellblaue Augen und keine einzige Falte im Gesicht. Sie ist zierlich und wirkt selbst in Jeans elegant und schick. Ich habe mir über das Wort »schick« nie wirklich Gedanken gemacht, doch kein anderes Wort hätte besser zu Audrey gepasst.
    Während Vaughn redete, stand ich auf und ging zur Küche hinüber, ohne mir Gedanken darüber zu machen, was ich da eigentlich tat oder ob es vielleicht unhöflich war, einfach meinen Gastgeber sitzen zu lassen, während er versuchte, mich zu unterhalten.
    Ich wollte Audrey sehen.
    Mit meinem Glas Wein in der Hand blieb ich in der Tür stehen und versuchte locker, offen und freundlich zu wirken. Zuerst bemerkte sie mich nicht, rührte in irgendwas herum, das auf dem Herd stand, während ich ihre Bewegungen beobachtete.
    »Oh!«, sagte sie, als sie mich sah. »Es ist gleich so weit.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte – das übliche Problem –, wollte aber nicht einfach nur stumm dastehen.
    »Wie lange kennst du Vaughn schon?«, fragte ich.
    Sie sah mich überrascht an, als hätte ich ihr eine Frage über ihr Gewicht oder ihr Alter gestellt. Was zum Teufel war an der Frage falsch? War es nun zu spät, um sie zurückzunehmen?
    »Hat er dir das nicht erzählt? Wir haben uns letztes Jahr im Internet auf einer Partnerbörse kennengelernt.«
    »Echt?«, fragte ich ehrlich überrascht. »Auf welcher denn?«
    »Matchmakers«, antwortete sie.
    Na klar – das war offenbar eine neuere Seite, wahrscheinlich eine von denen, auf der sich Leute einloggen, die weit unter meiner Würde waren. Ich bevorzuge Seiten, auf denen unter den Auswahlkriterien auch Bildung, berufliche Ziele und Gehalt und nicht nur die Schwanzgröße eine Rolle spielen. Obwohl ich offensichtlich etwas falsch mache. Vielleicht sollte ich mich mal wieder mit den Partnerbörsen beschäftigen; immerhin ist es schon eine ganze Weile her, seit ich meine Fühler ausgestreckt habe. Doch jetzt haben sich meine Bedürfnisse ein wenig verändert, nicht war? Außerdem verhalten sich Frauen heute anders auf Partnerbörsen. Erst verabreden sie sich, dann erzählen sie ihren Freunden und ihrer Familie, wo sie hingehen, mit wem sie sich treffen und wann sie voraussichtlich wieder zu Hause sein werden. Sie registrieren sich nur dann auf Partnerbörsen, wenn sie an eine Zukunft glauben.
    »Aha«, sagte ich, hätte ihr am liebsten ein Dutzend Fragen gestellt und überlegte mir, welche sie wohl am wenigsten beleidigen würde.
    Sie reichte mir einen Teller mit Melonenscheiben und Schinken. »Würdest du den rüberbringen?«
    Einen Augenblick hielten wir Blickkontakt. Hatte ich mir nur eingebildet, dass sie den Teller noch einen Moment länger festhielt, als ich ihn schon entgegengenommen hatte? Dass sie meinen Blick etwas zu lange erwiderte? Dass ihr Blick etwas Provokantes hatte, etwas Neugieriges … Vielleicht sogar etwas Herausforderndes?
    Ich lächelte sie an und spürte zum ersten Mal seit meiner Ankunft, dass die Hitze der Scham von mir wich. Ich war zwar immer noch nicht ganz entspannt, doch

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