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Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haynes
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fast leer – bis auf ein paar Marmeladengläser, eine Flasche Salatsauce, eine Schachtel Eier, die Butterdose, eine ungeöffnete Packung Käse und eine ungeöffnete Flasche Weißwein. Hatte ich diese Sachen gekauft? Ich wusste es nicht mehr. Wo war das Gemüse, das ich hier reingelegt hatte … Wann war das gewesen? Am Sonntag? Sie hätte das niemals alles vor ihrem Sturz verzehren können. Was war mit der Milch? Ich hatte ihr gestern frische Milch besorgt.
    »Annabel, bist du das?«
    Ein Geräusch hinter mir ließ mich zusammenzucken. Len stand dicht hinter mir. Ich hatte keine Ahnung, wie er hereingekommen war, ohne dass ich ihn gehört hatte. Obwohl es hier so still war.
    »Hallo, Len«, sagte ich. »Sie haben mich vielleicht erschreckt.«
    »Tut mir leid. Wie geht es Ihnen?«
    »Mom ist heute Morgen verstorben«, sagte ich. Ich musste den Leuten die Nachricht wirklich etwas einfühlsamer überbringen.
    »Ja, ich weiß«, sagte er. »Das tut mir sehr leid. Sie armes Ding.«
    »Woher wissen Sie es?«
    »Habe heute Morgen im Krankahaus angerufen, weil ich mich erkundigen wollte, wie es ihr geht.«
    Als er »Krankahaus« sagte, musste ich mir ein völlig deplatziertes Kichern verkneifen.
    »Kommen Sie zurecht?«, fragte er. »Ich und meine Frau haben uns Sorgen um Sie gemacht, als wir davon hörten.«
    »Es geht schon. Ich habe nur irrsinnig viel zu erledigen.«
    »Ich weiß, das ist eine große Belastung. Sie wissen ja, falls Sie etwas brauchen sollten …«
    »Danke«, sagte ich. Ich stand unbeholfen mit einer Hand am Kühlschrank da und überlegte, was er hier wollte. Ich fragte mich, warum er immer noch hierherkam, obwohl doch jetzt klar war, dass Mom nicht zurückkommen würde. »Haben Sie den Kühlschrank ausgeräumt?«
    Vermutlich sagte ich das ein wenig schroff, denn er wurde etwas rot und trat verlegen von einem Fuß auf den anderen. »Ja, na ja, wir wollten nicht, dass die Lebensmittel vergammeln. Wir dachten, dass Sie nicht gleich vorbeikommen würden – Sie wissen schon, wegen der Trauer und so.«
    »Nun, das ist sehr freundlich von Ihnen, aber ich komme wirklich gut alleine zurecht«, sagte ich.
    »Schwere Zeiten«, sagte er etwas beschwichtigt. »Sehr schwere Zeiten. Wissen Sie, ich und meine Frau haben uns wirklich bemüht, ein Auge auf sie zu haben, aber in letzter Zeit ist sie sehr schwach geworden. Sie konnte sich kaum noch bewegen, und wenn es erst mal so weit ist, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, nicht wahr? Trifft uns alle irgendwann. Am Ende.«
    »Na ja …«, sagte ich erneut.
    »Klar, wenn man wie Ihre Mom die Familie in der Nähe hat, ist das was anderes. Unsere beiden Jungs sind schon erwachsen und vor langer Zeit weggezogen. Wenn die mal ihre eigenen Familien haben, kommen sie kaum noch, weil dann so viel zu tun ist, außerdem wissen sie ja, dass es uns gut geht. Wir sind ja zu zweit, können aufeinander aufpassen, also sehen wir sie nicht so oft. An Weihnachten natürlich schon, und sie sind zum siebzigsten Geburtstag meiner Frau letztes Jahr gekommen, aber das war’s dann auch schon. Da fragt man sich doch, was die Zukunft bringt, wenn man über all die Leute in der Zeitung liest, die tot aufgefunden wurden und um die sich niemand gekümmert hat.«
    »Ich weiß«, sagte ich.
    »Wie dem auch sei, ich sollte hier nicht rumstehen und quatschen, sonst fragt sich meine Frau noch, wo ich bleibe. Ich geh dann mal wieder. Wollen Sie die Sachen zurück?«
    Er sagte es beiläufig über die Schulter hinweg, als wäre es nur eine harmlose, abschließende Frage, doch dann drehte er sich um und sah mich aufmerksam an. Aha, er hatte die Sachen also nicht weggeworfen? Len war hier eingedrungen und hatte das Essen meiner Mom aus dem Kühlschrank geklaut. Ich war überrascht, dass er die Eier und die Butter nicht mitgenommen hatte.
    »Nein, natürlich nicht«, sagte ich.
    »Gebongt, ich geh dann mal. Sie wissen ja, wo Sie uns finden, falls Sie etwas brauchen – rufen Sie einfach an, okay? Ich kümmere mich um die Post und so, falls Sie wollen. Na dann, gebongt. Bis bald.«
    Ich hörte die Haustür laut ins Schloss fallen. So laut war er jedenfalls nicht gewesen, als er hereingekommen war. Da hatte er die Tür leise hinter sich geschlossen, war dann vermutlich vorsichtig durch den Flur geschlichen und hatte darauf geachtet, dass die Holzdielen nicht knarrten. Ich wollte nicht, dass er Moms Post durchsah. Und ich wollte nicht, dass er einen Schlüssel hatte. Ich würde bei ihm klingeln und ihn

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