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Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haynes
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niemals ernsthaft krank gewesen. Noch gestern hatte sie ein wenig über den Premierminister gemeckert, während ich das Abendessen für sie gemacht und die Einkäufe verstaut hatte.
    Ich versuchte mich an das Letzte zu erinnern, das sie zu mir gesagt hatte. Hatte sie sich überhaupt von mir verabschiedet? Wann hatte ich das letzte Mal etwas Nettes zu ihr gesagt? Sie gefragt, wie sie sich fühlte, ob sie glücklich war? Wann hatte ich das letzte Mal zu ihr gesagt, dass ich sie liebte?
    »Ich würde am liebsten heulen, kann aber irgendwie nicht«, sagte ich.
    »Sie müssen gar nichts«, sagte er. »Außerdem dauert es seine Zeit, bis Sie das alles verarbeitet haben.«
    »Was soll denn das heißen?«, zischte ich ihn an. »Ich bin doch keine Maschine, ich bin ein Mensch. Ich muss überhaupt nichts verarbeiten oder über etwas hinwegkommen. Ich lebe einfach weiter wie immer, so habe ich das schon immer gemacht.«
    Er machte ein Geräusch, das wie ein Seufzen klang, und sah so aus, als wollte er etwas sagen, schwieg dann aber und trank seinen Kaffee aus.
    »Tut mir leid«, sagte ich ein paar Minuten später.
    Er zuckte die Achseln. »Kein Problem. Ich wollte Ihnen nur helfen.«
    »Ich nehme an, bei Ihnen im Büro war nach dem Anruf gestern die Hölle los.«
    »Könnte man so sagen.«
    »Ist damit die ›Liebet euren Nachbarn‹-Aktion beendet?«
    Er lachte. »Ich glaube sowieso nicht, dass die was gebracht hätte. Sie hätte sich wahrscheinlich eher in eine ›Spionier deinen Nachbarn aus‹ oder ›Schimpf über deinen Nachbarn‹-Aktion verwandelt.«
    »Na ja, das ist typisch britisch, nehme ich an.«
    Dem folgte ein kurzes Schweigen.
    »Werden Sie die Computer der Toten kontrollieren?«
    Ich sah ihn an. Er hatte eine Grenze überschritten.
    »Ach, kommen Sie«, sagte er. »Das ist eine ganz allgemeine Frage. Ich dachte nur, vielleicht waren sie ja alle in den Chatrooms von irgendwelchen Selbstmordseiten unterwegs. Das könnte sie verbinden.«
    »Es würde mich wundern, wenn alle Computer besessen hätten. Vergessen Sie nicht, manche waren schon ziemlich alt.«
    »Sie beziehen die älteren mit ein?«
    »Nun ja, ich schon. Aber ich weiß nicht, ob der Chefermittler darauf hört, was ich zu sagen habe.«
    Ich sah in seine leere Tasse. Meine war noch immer halb voll, doch ich hatte nicht das Bedürfnis, sie auszutrinken. Die Brühe schmeckte wie Schmutzwasser.
    »Ich glaube nicht an Selbstmord«, sagte ich. »Jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinne. Diese Tode waren nicht geplant. Die Opfer hatten irgendwie eher aufgegeben.«
    »Geht das denn?«
    »Muss es wohl.«
    »Aber der Körper würde doch bestimmt versuchen, das zu unterbinden, oder? Hunger, Durst – sind das nicht Urinstinkte? Man müsste ja einen eisernen Willen haben, um sich einfach hinzusetzen und sich zu Tode zu hungern.«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Der Anruf gibt Grund zur Annahme, dass noch irgendwer oder irgendetwas anderes hinter der Sache steckt. Ich denke, die Leute wurden alle irgendwie dazu gebracht, sich das anzutun, irgendwas muss diese Urinstinkte außer Kraft gesetzt haben.«
    Er beugte sich auf seinem Stuhl vor. »Nun, das klingt äußerst interessant«, sagte er.
    »Ach ja?«
    »Was könnte einen menschlichen Urinstinkt aushebeln?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Beängstigend, nicht wahr?«, sagte er.
    Ich nickte, war mir aber nicht sicher, was er damit meinte.
    »Beängstigend, dass da draußen jemand herumläuft, der zu so was in der Lage ist«, fuhr er fort. »Ich meine, wir könnten ihm alle zum Opfer fallen, oder?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht.«
    »Warum denn nicht?«
    »Nun, vordergründig verbindet die Opfer nichts, was aber nicht heißt, dass sie nicht doch Gemeinsamkeiten haben. Zunächst einmal lebten alle alleine. Aus verschiedenen Gründen hatte keiner von ihnen einen Job.«
    »Da reden Sie immerhin von einem beachtlichen Teil der Bevölkerung«, sagte Sam.
    »Wollen Sie losziehen und jeden warnen, der alleine lebt und keinen Job hat?«
    »Warum denn nicht?«
    »Weil Sie alle in Panik versetzen würden.«
    Wir stellten uns eine Single-Massenhysterie vor und mussten lächeln.
    »Die Demografie ist interessant«, sagte er und kam damit elegant wieder auf die Leichen zu sprechen.
    »Weil sie so bunt gemischt ist?«
    »Genau. Ich meine, was wäre, wenn jemand so etwas zum Spaß tut? Ich weiß nicht, das ist alles so sonderbar. Was hätte er denn davon? Haben die Opfer Testamente oder sonst was

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