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Wofür es sich zu leben lohnt

Wofür es sich zu leben lohnt

Titel: Wofür es sich zu leben lohnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pfaller
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noch unentschieden lassen müssen, ob wir für den Gedanken des Schönen als Verausgabung Sympathie empfinden wollen oder nicht, können wir doch bereits an dieser Stelle ahnen, dass diese Konzeption Batailles möglicherweise geeignet ist, manche Schwierigkeiten der klassischen Ästhetik zu lösen, die sich aus der Bestimmung des ästhetischen Wohlgefallens als »interesselos«, der Kunst als »autonom« oder auch der Gefühle als »unveräußerlich« etc. ergeben.)
    3 .
    Es ist auffällig, dass man so, wie man von Anti-Ökonomie auch von Anti-Kunst sprechen kann (s. Sontag 1968 ). Diesen beiden gesellt sich als dritte noch die Anti-Philosophie hinzu (s. Badiou 2008 ). Aber solche Antipoden oder Antagonisten bzw. negative Größen gibt es nicht für alle Praktiken: Wir kennen kaum Anti-Wissenschaft, Anti-Sport, Anti-Religion oder Anti-Politik.
    Möglicherweise können wir in den besonderen Fällen von Ökonomie, Kunst, Philosophie aus der Existenz ihrer negativen Größen eine Schlussfolgerung ziehen: dass es hier jeweils eine Anti-Praxis gibt, deutet darauf hin, dass diese Praktiken mit einem Exzess zu tun haben, mit etwas Maßlosem, einem Überschuss, den sie aus sich ausschließen müssen. In der Ökonomie strebt das Maßvolle des Haushaltens danach, das Maßlose der Verschwendung auszuschließen; in der Kunst das Maßvolle des Schönen das Maßlose des Erhabenen; in der Philosophie müssen die Bemühungen um die Rationalität den Verdacht ausschließen, dass eben diese Bemühungen nur die blendenden Rationalisierungen (im psychoanalytischen Sinn) von unbeleuchtet bleibenden Motiven sind. Dementsprechend bemerkt Alain Badiou: »Die Philosophie ist ein Akt, und die Fabeleien um die ›Wahrheit‹ sind seine Einkleidung, seine Propaganda, seine Lüge.« (Badiou 2008 : 8 ) [163]
    Die jeweiligen Anti-Praktiken wären dann das, was sich jeweils um den ausgeschlossenen Überschuss kümmert und dadurch jenen konstitutiven Ausschluss rückgängig macht, der notwendig war, damit die positiven Praktiken von Ökonomie, Kunst, Philosophie sich etablieren konnten. Bataille kann sich hier in einem Wortspiel auf den Gegensatz stützen, den er im Französischen zwischen den Begriffen
penser
(denken) und
dépenser
(verausgaben) herstellt (s. dazu Moebius 2006 : 141 ).
    4 .
    So befremdend, paradox und bizarr diese Überlegungen zur Verausgabung auf den ersten Blick (wie Bataille selbst eingesteht, 2001 : 64 ) anmuten mögen, kennen wir manches davon doch sogar in Spuren unserer eigenen Erfahrung. Nicht immer bemerken wir, dass diese Erfahrung uns lehrt, eine geläufige Vorstellung über das Verhältnis von Arbeit und Nichtarbeit fallenzulassen und nach einer besseren zu suchen.
    Der geläufigen Vorstellung zufolge kann es so scheinen, als ob man im Allgemeinen arbeiten müsste (sofern man überhaupt Gelegenheit dazu hat) und es nur manchmal, in seltenen Momenten, bleiben lassen dürfte. Zum Arbeiten gezwungen, manchmal vielleicht frei zur Nichtarbeit – das ist die Formel eines zur Naturerscheinung stilisierten Arbeitsethos. Angesichts dessen, was unsere Erfahrung zeigt, erweist sich diese Formel jedoch als hochgradig irreführend. Denn in Wahrheit ist es genau umgekehrt: Oft muss man das Arbeiten bleiben lassen. Die Nichtarbeit ist dann nicht bloß erlaubt, sondern vorgeschrieben. Sie stellt eine Pflicht dar, die sofort (termingerecht) erfüllt werden muss.
    Das gilt nicht nur für jene Gesellschaften, wie sie Sigmund Freud in »Totem und Tabu« beschreibt und an denen uns (wie an jeder fremden Gesellschaft) sofort in erster Linie deren weitgehende Prägung durch zwanghafte rituelle Strukturen auffällt. Selbst in unseren utopielosen Arbeitskulturen gibt es, wie bereits erwähnt, noch kleine, unterschwellige Spuren dieser Pflicht zur Nichtarbeit. Zu bestimmten Zeiten muss die Arbeit im Büro unterbrochen werden; dann müssen Sektflaschen geöffnet werden – etwa wenn Silvester ist oder wenn ein bestimmter Kollege Geburtstag hat. Dann wäre es unanständig und obszön, zu arbeiten; dann muss vielmehr mit dem Sekt angestoßen werden; und er muss getrunken werden, wenigstens in kleinen, »zum Anstoßen« vorgesehenen Mengen – selbst von denen, die keinen Sekt mögen oder nach Vorschrift ihres Arztes keinen Alkohol trinken dürfen. Genauso müssen wohl die Mitglieder einer totemistischen Stammesgemeinschaft an bestimmten Tagen Stücke vom Totemtier verzehren, ob sie wollen oder nicht. An den übrigen Tagen des Jahres hingegen

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