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Wofür es sich zu leben lohnt

Wofür es sich zu leben lohnt

Titel: Wofür es sich zu leben lohnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pfaller
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auf der einen Seite Schüsse gibt und auf der anderen Seite Überschüsse, und dass folglich so, wie für die Schüsse die Revolver da sind, auch für die Überschüsse etwas da sein könnte – die Revolver der Überschüsse eben.
    Dies würde verweisen auf jene Revolver, die in der Kunst des 20 . Jahrhunderts eine prominente Rolle gespielt haben, [160] zum Beispiel im zweiten Manifest des Surrealismus von André Breton, wo es heißt:
    »Die einfachste surrealistische Handlung besteht darin, mit Revolvern in den Fäusten auf die Straße zu gehen und blindlings soviel wie möglich in die Menge zu schießen. Wer nicht wenigstens einmal im Leben Lust gehabt hat, auf diese Weise mit dem derzeit bestehenden elenden Prinzip der Erniedrigung und Verdummung aufzuräumen – der gehört eindeutig selbst in diese Menge und hat den Wanst ständig in Schußhöhe.« (Breton [ 1930 ]: 56 )
    Man kann dieses Zitat wohl nur dann einigermaßen verstehen, wenn man weniger die etwas rätselhaft bleibende Utopie der Gewalttat ins Auge fasst und mehr auf das Motiv einer blinden Verausgabung achtet. Bretons Revolver sind nicht Revolver gezielter Schüsse, sondern blinder Verausgabung von Überschüssen.
    Erst in einem zweiten Schritt, im zweiten Satz, und dank einer Art von »sekundärer Bearbeitung« (im Sinne Freuds) bekommt diese Verausgabung etwas Gerichtetes. Als Schießerei zweiten Grades, als Meta-Schießerei, in der es darum geht, ob blindlings geschossen werden soll oder nicht, richtet sie sich nun gezielt gegen die Gegner jeglicher blinder Schießerei; als Proklamation blinder Verausgabung zielt sie nun auf jene, die sozusagen sparsam sind und darum niemals auf den Gedanken und die Lust an einer solchen Verausgabung verfallen.
    2 .
    Mit diesen ziellosen Schießereien (die im Unterschied zu den regelmäßig vor allem in den USA vorkommenden nicht aus Verzweiflung angedacht werden) zielt Breton in seinem Text auf eine ganz bestimmte, einem Problem der Ökonomie antwortende Handlungsweise. Denn das Töten ist ein möglicher Ausgang in einer Situation, in der mit Überschüssen umgegangen werden muss. Dies hat Georges Bataille klar erkannt in seinen Studien über eine sogenannte »allgemeine Ökonomie« (s. Bataille 2001 : 58 ). Als allgemein bezeichnet Bataille eine Ökonomie, die nicht allein die im engeren Sinn ökonomischen Prinzipien des Haushaltens und des effizienten Einsatzes der Ressourcen beinhaltet, sondern vor allem auch eine Anti-Ökonomie, die darüber hinaus die Tatsache erkennt, dass das zentrale Problem aller in der Geschichte aufgetretenen Gesellschaften darin bestand, jene Überschüsse loszuwerden und zu verschwenden, welche von der Ökonomie im engeren Sinn immer und mit Notwendigkeit hervorgebracht werden. In Batailles allgemeiner Ökonomie hat somit, wie er schreibt, »die Verausgabung (oder die Verzehrung) der Reichtümer Vorrang vor der Produktion« (Bataille 2001 : 35 ).
    Bataille hält dieses Problem von Überschüssen und ihrer Verschwendung sogar für ein universelles Problem jeglichen Lebens und seiner von der Sonne gespeisten Energie (s. ebd.: 289 ). Wo ein Organismus Überschüsse produziert, investiert er sie entweder in Wachstum oder, falls dieses auf Grenzen stößt, in Fortpflanzung. Spätestens wenn die Fortpflanzung auf Grenzen der Ausbreitung stößt, muss mit Verzehr anderer Organismen begonnen werden. Insofern ist bereits der Pflanzenfresser ein Luxus – ein Verschwendungselement gegenüber der Pflanze und umso mehr das Raubtier gegenüber dem Pflanzenfresser. [161] Dieser Überlegung über Fortpflanzung und Verzehr folgend, gelangt Bataille zu der reizvollen These, »der Geschlechtsakt ist in der Zeit, was der Tiger im Raum ist.« (Bataille 2001 : 38 )
    Da Geschlechtsakte und Tiger – entsprechend der langen Geschichte ihrer Würdigungen in Kunst und Poesie – in gewisser Weise als Paradebeispiele dessen gelten dürfen, was von Menschen als schön empfunden wird, können wir an diesem Punkt versuchen, eine allgemeine ästhetische Schlussfolgerung zu ziehen. Wir können sagen: Schönheit ist der Glanz der Verausgabung. [162] Dieser Glamour zeigt sich dort, wo etwas Anti-Ökonomisches aufblitzt; etwas, das nicht der engeren Ökonomie des Haushaltens, sondern nur der allgemeinen Ökonomie gehorcht, in der die Verschwendung die Überschüsse des Haushaltens aufhebt. Bataille bezeichnet diese Schönheit auch als »Großzügigkeit« (s. Bataille 1986 : 207 ).
    (Auch wenn wir vielleicht

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