Wofür es sich zu leben lohnt
und jenen anderen beneiden.« (Spinoza 1976 : 140 (Ethik, Teil III , Lehrs. 35 ))
Warum dieser Hass auf das Objekt, um das der Andere eifersüchtig beneidet wird, eine notwendige Vorbedingung für die Eifersucht ist, erklärt sich aus Spinozas früherem Lehrsatz 22 . Dort bemerkt Spinoza:
»Wenn wir uns vorstellen, daß jemand ein Ding, das wir lieben, in Freude versetzt, so werden wir in Liebe gegen ihn versetzt werden. Wenn wir uns dagegen vorstellen, daß er es in Trauer versetzt, so werden wir umgekehrt in Haß gegen ihn versetzt werden.« (Spinoza 1976 : 130 (Ethik III , Lehrs. 22 ))
Das heißt: würden wir die geliebte Person noch lieben, dann müssten wir uns auch über alles freuen, was sie in Freude versetzt – also sogar auch über ihren Liebhaber, unseren Nebenbuhler.
Ein prägnantes Beispiel für das Ungewollte des Neidobjekts präsentiert auch Gerhard Schulze, der bemerkt:
»Wer jahrelang in Universitätsgremien das Verhalten saturierter Primaten beobachtet hat, weiß um die Allgegenwart des Neides selbst unter der Bedingung des Überflusses – es kommt vor, dass Kollegen monatelang um Hilfskraftgelder kämpfen, die sie dann am Jahresende unverbraucht an die Verwaltung zurückgeben.« (Schulze 2006 : 97 )
Auch in der aktuellen, verdächtig leidenschaftlich geführten Diskussion um die staatliche Verhängung von Rauchverboten scheint eine beträchtliche Zahl der Verbotsbefürworter in erster Linie vom Neid auf das Glück des Anderen, verbunden mit dem Hass auf das Neidobjekt, erfasst zu sein. Dieser orale Genuss, der dem Saugen des Bruders an der Mutterbrust ähnlich scheinen mag, ist offenbar sehr geeignet, den bösen Blick auf sich zu ziehen, und den neidigen Wunsch zu wecken, dem Anderen möge versagt werden, was man selbst nicht hat und für sich selbst auch gar nicht will.
4 . Der Andere als Sichtschutz gegen die Unmöglichkeit
Bei anderem Neid lässt sich diese Ablehnung des Neidobjekts durch die Neider recht leicht an der Beobachtung aufzeigen. In der Arbeit werden Kollegen meist beneidet, weil sie faul oder, umgekehrt, weil sie besonders fleißig sind. [103] Neid gegen Immigranten entsteht, weil man sie im öffentlichen Raum grillen sieht oder weil sie, wenn sie im Spital sind, von viel mehr Angehörigen ihrer Großfamilie besucht werden als die Einheimischen, die nur ihre Kleinfamilien haben. Wenn man nun den Neidern zurufen würde: »Na mach’s doch selbst auch so!«, dann müsste man schnell bemerken, dass sie das, worum sie die Anderen beneiden, für sich selbst gar nicht wollen: Es würde sie erschrecken, faul sein zu müssen; sie würden auf keinen Fall mehr arbeiten wollen; Grillen interessiert sie nicht; und der Gedanke, Teil einer Großfamilie zu sein, wäre für sie ein Horror.
Das, was beim Anderen als großes Glück wahrgenommen wird, wäre für die Neidigen selbst niemals eines; es handelt sich um etwas für sie selbst Unmögliches. Dem Anderen kommt somit eine entscheidende Funktion in Bezug auf diese Unmöglichkeit zu: Er hilft dem Neidigen, sich über die Unmöglichkeit des vorgestellten Glücks zu täuschen; er erlaubt dem Neider, sich das vermeintliche Glück als ein mögliches, nur zufälligerweise leider vom Anderen in Besitz genommenes Glück vorzustellen. Der Andere im Neid ist notwendig, um die Unmöglichkeit des imaginierten Glücks nicht bemerken zu müssen. Die Erzählung vom »Diebstahl des Genießens« [104] durch den Anderen verdeckt die noch viel schlimmere Aussicht auf die grundsätzliche Unerträglichkeit dieses Genießens.
5 . Der Grund für die Unmöglichkeit
Warum aber ist das im Neid vorgestellte Glück unmöglich? – Sigmund Freud hat, unter anderem in seiner Theorie des Unheimlichen (Freud [ 1919 h]), eine Antwort darauf gegeben: In der menschlichen Sexualentwicklung werden bestimmte Stationen, die einst lustbringend waren, aufgegeben und zugunsten neuer, anderer Formen von Sexualorganisation zurückgelassen. Eine der aufgegebenen Stationen ist, Freud zufolge, der sogenannte primäre Narzissmus – ein Stadium, in dem wir zwischen Wünschen und Wahrmachen noch keinen Unterschied treffen (s. Freud [ 1912 – 13 ]: 377 ff.). Erst wenn wir schmerzlich bemerken müssen, dass mehr notwendig ist als nur heftiges Wünschen, damit etwas wirklich wird, verlassen wir den primären Narzissmus. Wir hören auf, nur mit uns selbst beschäftigt zu sein, wenden uns der Welt außerhalb unseres Ich zu und investieren dementsprechend unsere Energie weniger
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