Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wofuer es sich zu sterben lohnt

Titel: Wofuer es sich zu sterben lohnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Nilsonne
Vom Netzwerk:
Opa.«
    »Opa ist ja wohl übertrieben«, protestierte Jamal. »Wie alt kann der sein, siebenunddreißig, achtunddreißig, viel leicht?«
    Juris Antwort war lässig, selbstsicher. Sie stammte von jemandem, der Bescheid wusste und grundsätzlich recht hatte.
    »Der ist vierzig. Opa.«
    Und Theo, der sich niemals in fremde Diskussionen ein mischte, konnte es plötzlich nicht mehr ertragen, dass Ju ris Wahrheit gelten sollte. Er konnte Juri nicht recht haben lassen, wo der sich irrte. Er rief vom Tresen her:
    »Er ist sechsunddreißig. Er war neunundzwanzig, als er den Verein gewechselt hat, das weiß ich genau. An dem Tag bin ich nämlich zwölf geworden.«
    Sebbe blickte überrascht auf und antwortete automa tisch:
    »Glaub ich nicht, du blöder Vorortnigger. Halt die Fresse.«
    Danach dachte er nach, rechnete mühsam im Kopf und lachte dann herablassend.
    »Du kannst ja nicht mal rechnen, du Buckelarsch. Du kannst nicht zwölf gewesen sein, du warst zehn, genau wie wir anderen alle.«
    Aber Juris kalte Augen waren zum Leben erwacht. Theo sah, wie das geschah, und alles drehte sich vor ihm.
    Verdammte Hölle. Er konnte nur hoffen, dass seine eige ne Angst ihn in Juris Gesicht etwas hatte sehen lassen, das dort gar nicht vorhanden gewesen war.
    Aber nicht seine Angst hatte ihn den Blick des Jägers in dem Moment erkennen lassen, wenn die Beute auftaucht. Als im Spiel eine Pause eingelegt wurde, kam Juri auf den Tresen zugeschlendert. Er sah nicht einmal bedrohlich aus, nur angeregt.
    »Interessant zu hören, was du da zu sagen hattest. Hoch interessant.« Er lächelte, fast freundlich, und sagte so leise, dass sonst niemand es hören konnte: »Aber Sebbe irrt sich natürlich. Natürlich weißt du, wie alt du bist. Wie alt du warst. Das weiß man doch schon mit drei Jahren.«
    Juri beugte sich über den Tresen vor und starrte Theo an, der mit sich kämpfen musste, um diesem Blick standzuhal ten. Er sagte in freundlichem Tonfall: »Du hättest weiter die Klappe halten sollen. Denn was könnte passieren, wenn sie bei dir genauer hinschauten? Was würden sie dann finden? Denn du bist nicht siebzehn wie die anderen, oder? Du bist neunzehn, du kleines Stück Scheiße.«
    Er lächelte wieder, und Theo konnte sich noch fragen, wieso ein Lächeln so beängstigend sein konnte.
    »Aber du gibst dich als siebzehn aus. Das ist interessant. Gut zu wissen.«
    Er beugte sich noch weiter vor und fügte leise hinzu, denn Information ist ein Wert an sich, und den wollte er mit niemandem teilen:
    »Hör gut zu. Wenn du Helena anschaust. Wenn du mich anmachst oder vielleicht sogar, wenn du mich nicht an machst, dann tu ich der Polizei einen Gefallen. Dann wirst du unter die Lupe genommen, du Stück Scheiße, kapiert? Und dann kriegst du eine einfache Fahrkarte zurück in das Drecksland, zusammen mit deiner ganzen illegalen Fami lie, und zwar schneller, als du sagen kannst, ›ich war das nicht‹. Kapiert?«
    Theo nickte. Er hatte kapiert. Seine Narbe kribbelte.
    Wieso hatte er nicht den Mund halten können? Wieso hatte er das Einzige verraten, das er nicht verraten durfte, und dann ausgerechnet an so einen Scheißkerl wie Juri?
    Jetzt hatte Juri den fatalen Riss in Theos festem Panzer entdeckt. Theo wurde erfüllt von einer Ohnmacht, die ihm fast den Atem raubte. Und alles war seine Schuld. Er selbst hatte den Feind hereingebeten.
    Der Feind, der Juri war und der jetzt wusste, dass Theo keinen Anspruch auf die Personenkennziffer besaß, die er in der Schule benutzte.
    »Hör mal, du Abschiebefall - gib mir eine Cola. Von jetzt an machst du, was ich dir sage, klar?«
    Juri ließ sich auf das Sofa fallen, und Theo griff mit zit ternden Händen nach einer Cola. Er konnte seine Beine, über die er die Herrschaft verloren hatte, überreden, trotz dem zu Juri zu gehen. Er konnte die Dose hinstellen, bit te sehr sagen.
    Juri nahm die Cola, ohne Theo anzusehen. Das Spiel ging jetzt weiter.
    Die Männer in den kurzen Hosen liefen hin und her, und Helena war zufrieden. Sie begriff die Spielregeln nicht, aber so lange das Spiel lief, hatte sie ihre Ruhe. Niemand stellte Fragen, die schwer zu beantworten waren, niemand erwar tete etwas von ihr. Sie entspannte sich auf dem Sofa. Juris Hände waren kaum zu spüren - sie hatte längst gelernt, ihre Haut abzusperren. Ihre Grenze zur Umwelt war tiefer in sie zurückgewichen. Seit sie mit Juri zusammen war, fass ten die andern Jungen sie nicht mehr an, und dafür war sie so dankbar, dass Juri machen

Weitere Kostenlose Bücher