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Wofuer es sich zu sterben lohnt

Titel: Wofuer es sich zu sterben lohnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Nilsonne
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Arm war heiß geworden, als sie vorsichtig sei nen Unterarm mit Daumen und Zeigefinger berührt hatte. Sie hob ein kleines weißes, starres Haar hoch, so eins, das zeigt, dass ein Dalmatiner zur Familie gehört. Vielleicht tat sie das langsamer, als nötig gewesen wäre.
    Sie hatte ihn angelächelt und gefragt, ob sie nicht selbst Katzenhaare an der Kleidung habe. Sie hatte ihn gebeten, danach zu suchen und sie wegzunehmen, wenn er welche fände.
    Es gab keine Katzenhaare, aber plötzlich hatte er die Zwischenzeilen verstanden und zupfte ein nicht vorhan denes Katzenhaar von ihrer Schulter. Sie lächelte und blieb ganz still sitzen. Er nahm noch eins weg, von ihrer ande ren Schulter, und dann eins vom Hals. Inzwischen fiel ihm das Atmen schwer.
    Und Wunder über Wunder, es schien Vivi zu gefallen, dass er sie anfasste, sie rückte noch ein wenig näher. Sein Körper schien kurz einer Explosion nahe. Plötzlich besaß er allen Mut der Welt. Er entfernte ein Haar von ihrer Brust, die fühlte sich unter ihrem dünnen Kleid weich, aber trotz dem fest an. Und sie fragte:
    »Findest du es hier drinnen nicht ein bisschen warm?«
    Und er dankte einer unbestimmten höheren Macht für warme Zimmer und kühle Abende. Für Mädchen, die so süß waren, dass sie einfach jeden haben konnten und doch ihn wollten. Für Mädchen in dünnen Kleidern und mit lan gen Haaren, die seine große Hand in ihre kleine nahmen und ihn aus dem Haus zogen, zu dem Wäldchen, das vom Licht der Straßenlaternen nicht ganz erreicht wurde.
    Vivis blondes, nach Shampoo duftendes Haar glänzte. Ihr helles Kleid leuchtete im Halbdunkel. Ihre Hand kam ihm glühend heiß vor, und seine eigene Hand erschien ihm ebenfalls glühend heiß. Er wurde steif und fragte sich, ob sie das wohl merken würde. Und er fragte sich, ob es ihr ge fallen würde, denn plötzlich schien alles möglich zu sein. Plötzlich war es möglich, dass sie sich an ihn drückte und merkte, wie hart er war, und dass sie das als Zeichen dafür nahm, dass er sie schön fand. Dass er sich nach ihr sehnte.
    Auf der Welt gab es nur noch Vivi.
    Dass ein Motorrad vorüberglitt, interessierte ihn nicht, dass jemand mit einem leuchtend weißen Tuch um die Haare sich vor dem dunklen Hintergrund abzeichnete, ging ihn nichts an, denn jetzt hatte er den Arm um Vivis Tail le gelegt und staunte darüber, dass eine, die so schmächtig war, zugleich so stark wirken konnte.
    Sie gingen auf das Wäldchen zu, wo sie sich als Kinder versteckt und mit vierzehn heimlich geraucht hatten.
    Seine Finger fanden den Flaum in ihrem Nacken, ihr Hals war so unerwartet dünn, ihre Haut so unerwartet weich. Sie drehte sich im Dunkeln zu ihm hin, und er wusste, dass sein erster Kuss eine Erinnerung für das ganze Leben sein, dass alles gut gehen würde.
    Sie sahen ihn im selben Augenblick.
    Er lag bäuchlings im Dunkeln, ganz still, das Gesicht zur Hälfte von Gras und Moos verdeckt.
    Vivi löste sich aus seinem Arm und ging auf die liegen de Gestalt zu.
    »Geht’s dir nicht gut?«
    Jonatan kam hinterher.
    »Natürlich geht’s ihm nicht gut. Leute, denen es gut geht, legen sich ja wohl nicht so hin …«
    Er verstummte, denn plötzlich sah er den aus dem Rü cken herausragenden Messergriff. Er hörte, wie Vivi kurz und verzweifelt aufkeuchte. Sie hatte offenbar dasselbe ge sehen wie er. Und offenbar war es kein Trugbild.
    Sie fuhr mit Augen zu ihm herum, die plötzlich viel grö ßer und viel dunkler geworden zu sein schienen.
    »Das ist doch Juri, ich glaube, er ist tot.«
    Und sie packte wieder seine Hand und rannte auf die Straßenlaterne zu. Sie rannte, als ob sie vom Mörder ver folgt würde.
    Und so nahm das Fest nach und nach ein Ende. Es fing in der Küche an, als Vivi und Jonatan hereingestürzt ka men und Vivi so sehr weinte, dass sie sich nicht verständ lich machen konnte. Jonatan musste immer wieder sagen, dass sie einen Krankenwagen brauchten, dass Juri verletzt sei, dass er oben in dem Wäldchen gleich hinter dem Zaun liege. Das Stimmengewirr ebbte ab. Die Musik aus dem Ne benzimmer hörte sich plötzlich viel lauter an, und jemand sorgte dafür, dass die Lautstärke gedrosselt wurde. Draußen lachte eine Frau kreischend, aber dann hörte sie die Neu igkeit und verstummte abrupt. Schon bald drängten Eltern und Schüler sich in der Küche. Teenager, die den ganzen Abend einen großen Bogen um ihre Eltern gemacht hatten, tauchten plötzlich ganz dicht neben Mama und Papa auf.
    Ein Vater, der früher

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