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Wofuer es sich zu sterben lohnt

Titel: Wofuer es sich zu sterben lohnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Nilsonne
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Krankenwagen gefahren hatte, er kundigte sich, ob noch jemand von den Eltern Erste Hilfe leisten könne. Als keine Antwort kam, bat er das nächstbes te Elternpaar um Begleitung. Jonatan, der in eine Decke ge wickelt worden war, zeigte den Weg.
    Als sie zurückkamen, sah der Krankenwagenfahrer sehr düster aus.
    »Wir brauchen keinen Krankenwagen, wir brauchen die Polizei. Der Junge ist leider schon tot. Und es war kein na türlicher Tod.«
    Kinder und Eltern schauten einander an, ihre Blicke eil ten durch den Raum, sie suchten nach Antworten. Wie sol len wir uns verhalten? Was ist hier passiert? Wo werden wir hineingezogen? Müssen wir Angst haben? Vor Außenste henden? Tot? Wie konnte das möglich sein?
    Die Eltern, deren Kinder zu besseren Festen weitergezo gen waren, versuchten sie anzurufen, obwohl Vivi und Jo natan versichert hatten, dass der Tote nicht in ihre Klasse gegangen war.
    Vivis Mutter, auch sie klein und weizenblond, sah, dass Theo allein dastand, er lehnte an einem Bücherregal, als ob er sich ohne diesen Halt nicht auf den Beinen halten könn te. Sie legte ihm den Arm um die Taille.
    »Komm, setz dich.«
    Er ließ sich auf einen kleinen Stuhl fallen, auf dem sein langer Körper in sich zusammensank. Vivis Mutter stellte fest, dass auch Afrikaner blass werden können und das Blut aus ihrer Haut verschwindet, die dann eher grau aussieht.
    Der ehemalige Krankenwagenfahrer hatte das Komman do übernommen, er rief die Polizei an, er bat alle, das Haus nicht zu verlassen.
    Es war die schwarz gekleidete Marta, der einfiel, dass sie Tee und Kaffee brauchten, und so wurden sie von der Po lizei vorgefunden - vierzehn Jugendliche und zwanzig El tern, mit Bechern und Tassen in den Händen und mit lee ren, verängstigten, verständnislosen Gesichtern.
     
    Als das Telefon in Roberts Hosentasche klingelte, fuhr er zusammen.
    Es war Marie, seine Frau, und sie weinte.
    »Wo steckst du? Es ist etwas ganz Entsetzliches pas siert!«
    Und er konnte mit zitternder Stimme antworten:
    »Was sagst du da? Doch nicht mit Matilda?«
    Als Marie von Juri erzählte, konnte er aufrichtig zugeben, dass das schrecklich und unheimlich sei. Wo er selber sei? Er habe Tina gefunden und sie nach Hause gefahren. Ma rie fragte, ob er zur Tagesstätte kommen könne, sie warte ten auf die Polizei, aber er antwortete:
    »Das ist nicht dein Ernst. Das Auto und ich sind total vollgekotzt. Ich muss duschen. Du kannst doch die Polizei fragen, ob es reicht, wenn sie morgen mit mir redet, falls das sein muss. Ich habe zwar nichts zu berichten, aber das hilft vielleicht auch weiter.«
    Zwanzig Minuten darauf rief Marie an, um zu sagen, dass die Polizei keine Einwände habe, aber sie musste mit dem Anrufbeantworter sprechen. Ihr Mann stand unter der Du sche und seifte sich immer wieder ein.
    Seine Kleidung hatte er abgespült, dann in die Waschma schine geworfen und schließlich das volle Waschprogramm laufen lassen. Er hatte vor, sie danach ein zweites Mal zu waschen, sicherheitshalber. Dann könnten die Techniker der Polizei nach Schweißfasern und Erdflecken suchen, so viel sie wollten.
    Als Marie endlich nach Hause kam, stellte er sich schla fend, und sie schien das auch zu glauben. Dann schlief sie ein, und er, der nicht mehr der Mann war, neben dem sie zwanzig Jahre lang geschlafen hatte, lag mit geschlossenen Augen da, bis sein Inneres zerbrach und in unvereinbaren Teilen wiederauferstand, die ihrerseits zerbrachen.

Montagmorgen
    Monika Pedersen streckte die Arme aus. Sie hatte die Au gen noch nicht geöffnet, aber sie wollte fühlen, wie breit das Bett war. Ihr neues Bett, in ihrem neuen Schlafzimmer, in ihrer neuen Wohnung.
    Die Wohnung war auf sie gekommen wie ein verspäte tes Erbe von ihrer Mutter, die ihr bei ihrem Tod nichts hat te hinterlassen können. Ebenso unerwartet wie ein Brief, der bei der Post liegen geblieben ist, ganz hinten in ei ner Schublade eingeklemmt oder unter einem Möbelstück, zwanzig oder dreißig Jahre nachdem er aufgegeben wurde. Monika war Schadenersatz zugesprochen worden, da Babs, ihre Mutter, Übergriffen durch ihren Psychoanalytiker aus geliefert war, und für dieses Geld hatte Monika die Zwei zimmerwohnung am Jaktvarvsplan gekauft. Erst bei ihrem Einzug hatte sie erkannt, wie sehr sie sich danach gesehnt hatte: nach einer Wohnung, in der man sich wohlfühlte.
    Monika glaubte, die zufriedene Stimme ihrer Mutter zu hören:
    »Du siehst - alles Leid hat einen Sinn.«
    Hatte sie so etwas zu Bab’s Lebzeiten

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