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Wofuer es sich zu sterben lohnt

Titel: Wofuer es sich zu sterben lohnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Nilsonne
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sie, ohne Danke zu sagen, und die Lust, ihm eine zu scheuern, machte sich wieder bemerkbar, diesmal stärker. Sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen. Während sie Atem holte, riss Bosse die Autoschlüssel an sich.
    Scheiße.
    Wenn Bosse hinter dem Lenkrad ebenso wenig Selbst kontrolle besäße wie hinter dem Schreibtisch, könnte die se Autofahrt zum gefährlichsten Teil des Einsatzes werden. Außerdem war Stockholms System von Einbahnstraßen auch für Einheimische schwer zu durchschauen.
    Sie hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Bosse überraschte sie mit seinem sanften und umsichtigen Fahr stil. Keine einzige durch Irritation verursachte Beschleuni gung, kein einziges frustriertes abruptes Bremsen. Er be schwerte sich auch nicht über andere Autofahrer. Aber spre chen, das wollte er nicht.
    Der Himmel hatte sich bewölkt. Die Villen, an denen sie vorüberfuhren, sahen nackt und hilflos aus, jetzt, wo kein Schnee und kein Blattwerk sie verdeckten.
    Trotz allem lächelte Monika auf dem Beifahrersitz vor sich hin. Abgesehen von Bosse fand sie das alles richtig gut. Es war nicht so schlecht, ihr Comeback auf diese Wei se zu begehen, mit einem Ermittlungsmord, der Nachden ken verlangte. Der die Fähigkeit forderte, Gefühle von Men schen zu erkennen und zu verstehen.
    Liebe. Hass. Neid. Angst. Abscheu. Begehren. Zorn. Allesamt konnten sie einen Menschen zum Mord trei ben. Man musste sie nur entdecken, den Zusammenhang verstehen. Man musste nicht in die Herzen der Menschen hineinschauen, wie es so falsch beschrieben wurde. In den Herzen gab es doch nur Blut und Muskelgewebe. Man musste in ihre Gehirne blicken.
    Da Bosse noch immer nichts sagte, dachte Monika da rüber nach, was sie über den Mord wusste, was sie in den Zeitungen gelesen hatte.
    Sie wusste, dass der junge Mann von zwei Schülern des Gymnasiums Tallhöjden gefunden worden war, dass eine Klasse aus dem Jahrgang 2 in einem in unmittelbarer Nähe des Fundortes gelegenen Kindergarten ein Fest gefeiert hat te. Sie wusste, dass das Opfer dieselbe Schule besuchte und drei Wochen später Abitur gemacht hätte. Sie wusste, dass seine Mutter geweint und einem Journalisten erklärt hatte, sie habe gewusst, dass es böse enden würde, doch warum, das hatte sie nicht sagen können oder wollen. Sie hatte ein Bild des Opfers als ordentlich gekämmter Siebenjähriger gesehen, und ein ganz neues Foto, auf dem er eine langbei nige Blondine auf dem Schoß hatte. Monika hatte das Foto aus seinem Führerschein besonders interessant gefunden. Darauf sah er in die Kamera, als wollte er sie mit einem Blick beeindrucken, der sagte: »Ich bin jemand, du aber nicht.« Mit dieser Miene hatte er ausgesehen wie viele der jungen Männer, die Monikas beruflichen Weg gekreuzt hat ten, obwohl er eine brave Kurzhaarfrisur und ein ordentlich gebügeltes Hemd trug.
    Jetzt war er tot. Jetzt würde er zu einer wichtigen Person in Monikas Leben werden. Sie würde versuchen, ihn ken nenzulernen, ihn zu verstehen, zu begreifen, wie es so weit hatte kommen können.
    Bosse hatte keine Probleme damit, den Weg zu finden, er bog an den richtigen Stellen ab und fuhr über immer schmalere Straßen, bis sie vor einem Dickicht die Absperr bänder der Polizei sahen. Sie hatten einen kleinen Wen dehammer erreicht. Vor ihnen lag die Stelle, an der der Neunzehnjährige gefunden worden war. Auf der einen Seite des Wendehammers stand ein kleiner Zaun vor einem ein stöckigen Klinkerbau, einem großen Sandkasten, in dem kaum noch Sand vorhanden war, und einigen herunterge kommenen Baumstümpfen. Das Ganze erinnerte ein we nig an die »künstliche« Umwelt, in die Schimpansen und Gorillas eingesperrt werden.
    Sie stiegen aus und gingen auf die Absperrung zu.
    Wie so oft wies nichts am Tatort darauf hin, dass er sich als geeignet für einen schrecklichen, jähen Mord erwei sen könnte. Verbrecher besaßen in dieser Hinsicht offen bar eine wenig fruchtbare Phantasie. Hinter der Absper rung waren nur hohe, dicht zusammengewachsene Büsche an einem steilen kleinen Hang zu sehen. Der Boden war bedeckt von verwelktem Gras aus dem vergangenen Jahr, Moos und einzelnen Gewächsen mit steifen, spitzen Blät tern, die schon einige Dezimeter in die Höhe geschossen waren. Ein Trampelpfad führte ins Dickicht hinein, und als Monika und Bosse ihm folgten, erreichten sie eine winzi ge Lichtung, auf der fünf oder sechs Personen Platz hatten. Hier konnte man ungestört und unsichtbar sein, obwohl der asphaltierte Weg

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