Wofuer es sich zu sterben lohnt
hatte. Sein unsensibles Gespräch mit Theos Mutter war eine Katastrophe gewesen. Er war nicht nur unsympathisch, er war unfähig.
Auf dem Revier versuchte Monika, vor ihm das Büro zu betreten. Sie wollte den Schreibtischsessel. Aber Bosse trat ihr einfach in den Weg und ließ sich mit schlecht verhoh lener Schadenfreude in den Sessel sinken.
Er schaute auf die Uhr. Dann zog er das Telefon zu sich und rief alle Fluglinien an, die nach Äthiopien flogen. Schon nach wenigen Anrufen hatte er Erfolg.
Er legte den Hörer auf die Gabel, lächelte überlegen und sagte:
»Der Knabe ist am Sonntagabend nach Addis Abeba ge flogen. Jetzt gehe ich.«
»Ein wichtiger Zeuge hat sich nach Äthiopien abgesetzt?«
Ungefähr eine Stunde darauf saß Monika in Dagas Büro und sah zu, wie Dagas Gesicht sich nachdenklich verzog. Nicht weil ein Zeuge verschwunden war, vermutete Moni ka, sondern um alte Geographiekenntnisse zu aktivieren. Wo lag Äthiopien doch noch gleich? Der Versuch misslang offenbar, denn Daga seufzte resigniert.
»Der Junge heißt Theo und ist siebzehn Jahre alt«, sagte Monika. »Er war auf dem Klassenfest, seine Mutter hat heu te Morgen angerufen. Da hatte sie ihn seit Sonntagmorgen nicht mehr gesehen.«
»Und wieso ist er ausgerechnet nach Äthiopien ver schwunden?«
»Daher kommt er.«
»Adoptiert?«
»Das glaube ich nicht, wieso fragst du?«
»Der Name. Er heißt doch sicher Theodor.«
»Theodoros. Die Leute haben da unten oft biblische Na men.«
Daga schaute leicht überrascht auf, dann fiel es ihr ein.
»Richtig, du warst ja kürzlich erst da. Deine Ansichtskar te hängt noch immer an unserer Pinnwand.«
Monika fasste ihren Besuch bei Mariam zusammen.
»Dann hat Bosse etwas Vernünftiges gemacht - er hat die Fluggesellschaften angerufen und die Passagierlisten durch sehen lassen. Hatte fast sofort Erfolg. Der Junge hatte einen einfachen Flug nach Addis Abeba, der Hauptstadt, gebucht und war am Sonntagabend geflogen.«
Daga hob die Augenbrauen.
»Ohne seiner Mutter etwas zu sagen?«
»Sagt sie. Sie schien kein besonderes Vertrauen zu uns zu haben.«
Es war ein chronisches und frustrierendes Problem, dass viele Zuwanderer der Polizei insgesamt wie einzelnen Polizisten ein tiefes Misstrauen entgegenbrachten. Daga nickte.
»Ist der Junge ein bisschen dumm?«
»Nein«, sagte Monika überrascht. »Das glaube ich nicht. Wieso willst du das wissen?«
»Warum hat er nicht einfach den Zug nach Kopenhagen genommen? Dann hätte er überall in Europa hinfahren können, und für uns wäre es die Hölle gewesen, ihn suchen zu müssen. Aber er fliegt nach Äthiopien, wir brauchen nur ein paar Minuten, um uns bei den Fluggesellschaften zu er kundigen, und schon wissen wir, wo er ist. Findest du das nicht überraschend?«
»Vielleicht. Aber wenn er erst einmal dort ist, können wir nicht an ihn ran, und vielleicht hat er das so einkalkuliert. Ich freue mich erst mal darüber, dass wir einen noch leben den Jungen suchen.«
Daga nickte zerstreut.
Auf ihrem Schreibtisch lagen die Abendzeitungen. Der Versuch, das kleine Mädchen auf Hundsudden mit Hilfe der Blutproben, die von jedem in Schweden geborenen Kind gemacht werden, zu identifizieren, hatte nichts er geben. Und die Ausbrecher befanden sich weiterhin auf freiem Fuß.
Daga war gestresst. Sie fragte leicht zerstreut:
»Warum ist gerade dieser Junge so wichtig?«
»Er ist offenbar früher an diesem Tag mit dem Opfer an einandergeraten. Er war am Freitagabend auf dem Fest. Als der Polizeianwärter ihn vernommen hat, behauptete er, an dem Abend nicht mit Juri gesprochen und ihn auch nicht gesehen zu haben, nachdem er den Spielplatz verlassen hatte.«
Monika legte eine kleine Pause ein, ehe sie weiter sprach:
»Das war gelogen. Jedenfalls die erste Behauptung, mög licherweise auch die zweite. Und außerdem hat niemand ihn zwischen zehn und Viertel vor elf am Freitagabend ge sehen.«
Daga nickte langsam.
»Das klingt ein bisschen dünn, finde ich. So ein Typ wie Juri hat immer viele Feinde. Dieser Theo ist streng genom men bisher nicht verdächtiger als viele andere auch. Wir können ihn nicht aus Äthiopien holen, nur weil wir mit ihm sprechen wollen. Ihr müsst mit den anderen anfangen.«
Monika schämte sich fast für ihren nächsten Zug.
»Einige Mädchen sagen, dass Theo in die Freundin des Opfers verliebt war.«
Jetzt wurde Dagas Blick lebendig. Ihre Augen, dick mit blauem Kajal eingerahmt, weiteten sich ein wenig.
»Das ist ja
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