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Wofuer es sich zu sterben lohnt

Titel: Wofuer es sich zu sterben lohnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Nilsonne
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überaus verstimmter junger Mann. Er ähnelte dem Theo auf dem Klassenfoto ungefähr so sehr wie alle anderen jungen Männer, die Mo nika an diesem Tag schon gesehen hatte. Alles an ihm war lang und schmal - Gesicht, Arme und Beine. Seine Haare waren kurz geschnitten, und auf der Oberlippe zeigte sich dunkler Bartflaum.
    Als er sie sah, richtete er sich auf.
    »Hallo, Theo«, sagte Monika auf Schwedisch. »Es tut mir leid, dass du warten musstest, ich hatte das mit der Zeit falsch verstanden. Ich heiße Monika Pedersen und komme von der Kriminalpolizei in Stockholm.«
    Der junge Mann sah sie ausdruckslos an.
    »Wie geht es dir? Deine Mutter macht sich Sorgen. Wir haben uns auch Sorgen gemacht, wir dachten, vielleicht sei dir etwas passiert.«
    Etwas passiert … was für eine blöde Umschreibung, dachte sie. Was sie meinte, war, dass sie geglaubt hatten, er sei vielleicht tot.
    Noch immer zeigte er keine Reaktion.
    Monika sah sich seine Kleidung an. Seine Jeans waren verschlissen und von einem Schnitt, den sie noch nie gese hen hatte. Die Turnschuhe waren abgelaufen, auch sie von unbekannter Marke. Sein kariertes Baumwollhemd war ta dellos gebügelt, aber es konnte nicht viel gekostet haben. Seine Uhr saß an einem breiten schwarzen Armband.
    Kein schwedischer Siebzehnjähriger, der nicht ganz ver armt war, war so angezogen, und der junge Mann vor ihr trug auch keine neuen, in aller Eile angeschafften Klei dungsstücke.
    Das hier war zweifellos ein Theo, aber plötzlich schien auf der Hand zu liegen, dass es der falsche Theo war.
    Sie drehte sich zu Tigist um und sagte auf Englisch:
    »Ich glaube, er versteht mich nicht.«
    Endlich reagierte der junge Mann. Er sagte in ziemlich holprigem Englisch:
    »Ich heiße Theodoros GebreSelassie, ich bin fast acht zehn, ich bin schwedischer Staatsbürger, und ich will mei nen Pass zurück.«
    »Du bist offenbar nicht der Theodoros, den ich suche. Er hat mehrere Jahre in Schweden gelebt und spricht Schwe disch. Inspektor Tigist sagt, dass du in dieser Zeit in Addis Abeba gewesen bist.«
    »Ich bin der Theodoros, den Sie suchen.«
    »Wie sollte das möglich sein? Du bist nicht in Schweden zur Schule gegangen, auf das Gymnasium Tallhöjden.«
    »Nein.«
    Monika fuhr sich mit der Hand durch die Haare, als ob ihr das beim Denken weiterhelfen könnte.
    »Aber wenn du Theodoros GebreSelassie bist, wer ist dann in Schweden gewesen?«
    Der junge Mann musterte sie forschend.
    »Mein Vetter.«
    »Dein Vetter?«
    »Ja. Der Sohn der Schwester meiner Mutter.«
    Langsam erfasste Monika die Situation.
    »Soll das heißen, dass dein Vetter deinen Pass benutzt hat? Dass er mehrere Jahre in Schweden gelebt und sich für dich ausgegeben hat?«
    »Genau. Und jetzt will ich meinen Pass zurückhaben. Ich habe mich nicht zur Polizei getraut, um um Hilfe zu bitten. Meine Familie würde mich umbringen. Aber wo Sie schon hier sind und Fragen stellen, kann mir ja niemand Vorwür fe machen, wenn ich antworte, oder?«
    »Aber wie ist das alles passiert?«
    »Meine Mutter hat meinen Pass genommen. Sie hat ihn meinem Vetter gegeben, ohne mich zu fragen. Ohne an ih ren eigenen Sohn zu denken. Mein Vetter sieht mir ähnlich, auch wenn er zwei Jahre älter ist.«
    »Warum hat sie das gemacht?«
    »Er musste das Land verlassen, niemand hat mir etwas ge sagt, niemand hat mich nach meiner Meinung gefragt. Jetzt will ich meinen Pass zurückhaben. Ich will nach Kanada.«
    Tigist überraschte Monika mit dem Einwurf:
    »Ist die Schwester deiner Mutter vielleicht Ärztin?«
    »Woher wissen Sie das?«
    Tigist gab keine Antwort, sondern fragte weiter:
    »Und hat deine Mutter zufälligerweise ebenfalls einen schwedischen Pass?«
    »Sie hatte einen. Sie war mit einem Schweden verheira tet. Jetzt hat ihre Schwester den Pass.«
    Tigist starrte Theo an und fragte langsam:
    »Und deine Tante und dein Vetter sind mit den geliehe nen Pässen nach Schweden gefahren, stimmt das?«
    »Ja. Und jetzt will ich meinen Pass zurückhaben. Wie schnell lässt sich das machen?«
    Tigist sagte leise und ernst:
    »Theodoros. Du weißt sicher, dass es verboten ist, frem de Pässe zu benutzen. Das kann zu sehr großen Problemen führen. Überleg dir gut, was du sagst, damit du es nachher nicht bereust.«
    »Ich kann ja wohl keine Probleme bekommen.«
    »Dein Vetter kann große Probleme bekommen. Und dei ne Mutter auch.«
    »Das ist mir egal. Im Moment habe ich ein großes Prob lem - ich kann nicht weg von hier.«
    Tigists Hände legten sich auf

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