Wofür schlägt dein Herz?
völlig erschlagen auf dem warmen Gras hockte. Eine Gänsehaut nach der anderen lief über Alex’ Körper, während er lautlos vor sich hin fluchte.
Verdammt, ich hatte nicht die leiseste Ahnung! Doch wenn er jetzt an Libbys angespanntes Gesicht dachte, sobald er sie berührte, oder daran, wie sie voller Panik zurückgewichen war, als seine Hand zu ihrem Oberschenkel gewandert war …
Alex legte stöhnend den Kopf auf die angezogenen Knie. Wie sagte man einem anderen Menschen so etwas? Er selbst hatte noch nie mit jemandem über seine Traumata gesprochen, über all die seelischen Qualen, die Scham und die Schuldgefühle, die er immer wieder ins Unterbewusstsein zurückdrängte.
„Alex, bist du noch da?“, fragte Eli besorgt.
Mühsam hob er den Kopf. Er fühlte sich wie ausgewrungen. „Ja, ich bin hier …“
„Ich komm zu dir rüber.“
„Nein! Mir geht’s gut.“
„Es sollte eigentlich keinen Unterschied machen, ob …“
„Da täuschst du dich, Eli“, unterbrach Alex ihn hart. „Es macht einen Unterschied. Warum hast du es mir nicht gesagt?“
„Weil es nichts ist, was du wissen musstest“, kam es ruhig zurück.
Sein Freund hatte recht. Libbys Unfall und seine Folgen spielten keine Rolle, was ihre Arbeit betraf. Das gehörte zu privaten Interna, die ihn nichts angingen.
Aber jetzt …
Abrupt stand Alex auf. Was er gerade von Eli erfahren hatte, veränderte alles.
7. KAPITEL
Nach einem ermüdenden Arbeitstag, der ebenso aufreibend endete, wie er begonnen hatte, betrat Libby ihr Apartment. Achtlos warf sie Tasche und Mantel auf einen Sessel. Dann ließ sie heißes Wasser in die Wanne, zog sich aus und sank mit einem tiefen Seufzer in das wohltuende duftende Schaumbad.
Sie fühlte sich zu Tode erschöpft und ernsthaft verwirrt.
Was sollte sie nur tun? Trotz all ihrer guten Vorsätze hatte sie sich heute Morgen zum zweiten Mal von Alex Wolfe küssen lassen! Und nicht nur das, sie hatte den Kuss sogar erwidert! Noch jetzt brannten ihre Wangen bei dem Gedanken daran, wie leicht es ihr gefallen war und wie gut und selbstverständlich es sich angefühlt hatte.
Dabei hatte es nach Scott bisher nur ein weiterer Mann geschafft, ihr näherzukommen. Leo Tamms war ein Kommilitone von der Uni gewesen, der sie dreimal eingeladen und ausgeführt hatte. Nach dem letzten Date hatte er sie zum Abschied geküsst. Und dann hatte er sie gefragt, warum sie beim Gehen hinke.
Damals war sie noch nicht so gut trainiert wie heute gewesen. Leo schien aufrichtig interessiert zu sein, also erzählte sie ihm ihre Geschichte. Anschließend hatte er sie nie wieder um eine Verabredung gebeten. Wenn sie einander auf dem Campus zufällig über den Weg gelaufen waren, hatte er den Blick gesenkt und die Straßenseite gewechselt.
Diese Episode hatte Libby fast ebenso zugesetzt wie Scotts kalte Zurückweisung. Und es hatte ihr ein weiteres Mal bewiesen, dass die Menschen ihr Gegenüber hautsächlich nach der äußeren Hülle beurteilten, ohne sich zu fragen, was sich dahinter verbarg. Wer garantierte ihr, dass ausgerechnet Alex Wolfe anders war?
Zwanzig Minuten später fühlte Libby sich schon viel besser. Sie stieg aus der Wanne, trocknete sich ab und schlüpfte in ein bodenlanges leichtes Negligé. In der Küche öffnete sie den Kühlschrank und beäugte unsicher den Rest Hähnchenbrust vom Vortag. Großen Hunger hatte sie allerdings nicht. Dafür flatterten tausend Schmetterlinge in ihrem Magen, während sie sich fragte, ob Alex dieses quälende Katz- und Mausspiel zwischen ihnen noch weiterzutreiben gedachte. Schließlich schenkte sie sich ein Glas Milch ein und trank sie in kleinen Schlucken, während sie das Wohnzimmer durchquerte.
Sie könnte an ihrer Rede weiterarbeiten. Oder ein Buch lesen. Oder sich einen Film anschauen … oder einfach dasitzen und sich wünschen, das Leben wäre weniger kompliziert. Dabei war sie durchaus zufrieden mit sich und der Welt gewesen, bevor Alex Wolfe auf der Bildfläche erschienen war.
Als es an der Tür klingelte, fuhr Libby zusammen. Verflixt! Ihre lebhafte Fantasie würde noch einmal ihr Untergang sein. Denn natürlich war es nicht Alex, der vor ihrer Apartmenttür stand, sondern irgendwelche Bekannten oder Nachbarn, die ein Paket angenommen hatten.
Libby stellte das Milchglas ab, ging zur Tür und drückte den Knopf der Gegensprechanlage. „Ja bitte?“
„Ich hatte gehofft, dich zu Hause anzutreffen.“
Ihre Nackenhärchen richteten sich auf. „Was … was wollen Sie
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