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Wofür stehst Du?

Wofür stehst Du?

Titel: Wofür stehst Du? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni di Lorenzo Axel Hacke
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Abstufungen: Am erträglichsten erscheinen mir noch die im Affektverabreichten Ohrfeigen, alle anderen Schläge aber waren schon in der Kindheit als das erkennbar, was sie auch sein sollten: Machtdemonstrationen, ein Urteil, das plötzlich über das Kind hereinbricht und immer ein Gefühl von Demütigung und Ohnmacht hinterlässt.
    Der Umstand, dass Prügeln innerhalb weniger Jahrzehnte von einer gängigen, ja als notwendig erachteten Erziehungsmethode zu einer allgemein geächteten Form der Strafe geworden ist, lässt den tröstlichen Gedanken aufkommen, dass sich Dinge auch zum Guten entwickeln können.
    Aus Gründen der pädagogischen Redlichkeit sei unbedingt noch erwähnt, dass es zwischen der Erziehung durch Züchtigung und der heutigen Kinder-Wellness noch eine bizarre Zwischenphase der totalen antiautoritären Erziehung gab. Dieses Schicksal ereilte zum Beispiel eine deutsche Cousine, die Erstgeborene meines Onkels Stefan, den ich so bewunderte. Sie durfte alles tun und lassen, was mir noch verwehrt worden war, obwohl sie nur wenige Jahre jünger war. Als Kind war ich deshalb oft eifersüchtig auf sie. Onkel Stefan erzählt, dass sie während ihrer gesamten Kindheit genau zwei Ohrfeigen kassierte. Die eine bekam sie, nachdem sie eines Tages in der Hippie-Kutsche ihrer Eltern, einem leicht derangierten, kugelförmigen Mercedes, meiner Tante, die am Steuer saß, bei voller Fahrt die Wollmütze über die Augen zog. Die andere, als sie einmal bei Tisch begann, sich die Fingernägel zu schneiden, trotz mehrerer Ermahnungen, das bleibenzu lassen, und die ersten Splitter in den Suppenteller meines Onkels flogen. Daran wird, obwohl das Ohrfeigen im Grundsatz natürlich falsch bleibt, auch ersichtlich, wie sehr meine Cousine sich angestrengt haben muss, um ihren Eltern endlich mal eine entschiedene Reaktion zu entlocken.
    Was aber viel wichtiger ist: Trotz oder wegen ihrer antiautoritären Erziehung führt meine Cousine heute ein zufriedenes Leben und ist inzwischen selbst Mutter dreier Kinder.
    Wahrscheinlich ist jedes Kind überfordert, wenn es vornehmlich dem Irrsinn der eigenen Eltern ausgeliefert ist, so gut deren Absichten auch sein mögen. Die glücklichsten Jahre meiner Kindheit habe ich im großelterlichen Haus in Rimini verbracht. Ich wusste, dass meine Eltern da waren und ich sie auch finden konnte, wenn mir danach war – aber ich genoss die Fürsorge einer unübersichtlich großen Schar von italienischen Cousins und Cousinen, Onkeln und Tanten ersten, zweiten und dritten Grades, Kindermädchen, Köchinnen und Putzfrauen. Irgendjemand hatte immer Zeit, und nie in meinem Leben habe ich mich unbeschwerter gefühlt.
    Zu den am intensivsten erlebten Zeiten meiner Kindheit gehören jene Sommerwochen, in denen ich einen meiner Patenonkel besuchen durfte, der einen großen Bauernhof hatte.
    Wenn ich zu Beginn der Ferien dort angekommen war, saßen wir abends um den großen Tisch in der Küche herum und aßen, und der von mir sehr verehrte Onkel gab ein paar Grundsätze für die folgenden Wochen bekannt, deren einer lautete: »Wenn ihr euch prügelt, gibt es für jeden eine Ohrfeige von mir.«
    »Auch für Axel?«, rief sofort mein Cousin.
    »Auch für Axel«, antwortete mein Onkel. Aber er hatte vorher eine verräterische Millisekunde lang gezögert, und ich ahnte: »Was mich angeht, meint er es nicht so.«
    Trotzdem fürchtete ich, nachdem ich meinen jüngeren und schwächeren Cousin einmal nach einem Streit herzhaft verhauen hatte, einige Tage lang sehr, der Onkel werde nun auch mich handfest zur Rechenschaft ziehen. Es geschah jedoch nichts.
    Auf dem Hof meines Onkels mussten wir oft mithelfen. Wir ernteten Kirschen und sammelten Kamille, wir trieben abends die Bullen in den Stall zurück, wir gabelten auf dem Acker Rüben auf und warfen sie auf einen Wagen. Aber viel mehr ist mir die Freiheit in Erinnerung, die wir dort hatten: Wir konnten uns auf dem ganzen riesigen Hofgelände frei bewegen, ohne dass die Erwachsenen wussten, wo wir waren, spielten auf dem Heuboden und an den Fischteichen, fuhren Fahrrad und rasten mit einer gebrechlichen Zündapp über die Feldwege.
    Vielleicht haben sich mir deshalb die Wochen auf dem Bauernhof so eingeprägt, bei meinem Onkel, der Zutrauen in mich hatte und der uns unsere Freiheiten ließ.
    Unvergesslich wird mir immer bleiben, wie er mich einmal – ich war zwölf oder dreizehn Jahre alt – auf einen Traktor mit laufendem Motor setzte, mir diePedale erklärte und wie

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